Der Armutsbericht taugt nicht für eine Gerechtigkeitsdebatte

Der nicht mit allen Ressorts abgestimmte Armutsbericht von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mag zu vielerlei Diskussionen Anlass geben und für manch heftigen Schlagabtausch taugen, aber für eine Gerechtigkeitsdebatte ist er untauglich. Zunächst einmal ist bezeichnend, dass in den Medien nahezu ausschließlich darüber berichtet wurde, dass „die Reichen reicher geworden sind“, aber fast nirgends der zentrale Satz von Seite 3 des Berichts zu lesen war, der eigentlich die wertvollste Botschaft enthielt: Allen in Deutschland geht es besser.

Nun ist es leicht, die Mehrheit der Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen, wenn man den Reichen den Kampf ansagt. Das ist der Kampf gegen eine hierzulande wenig geschätzte Minderheit. Da hält man sich gerne voller Emotionen damit auf, dass diese 10 Prozent der „Reichen“ reicher geworden sind, und unterschlägt dabei genauso gerne, dass diese 10 Prozent mehr als 50 Prozent der Steuerlast tragen. Übrigens: Den Spitzensteuersatz zahlt man in Deutschland schon ab einem Jahreseinkommen von 53 000 Euro! Da noch munter weiter draufsatteln?

Ich meine: besser nicht! Außerdem darf doch nicht vergessen werden, dass diese „Reichen“ - in der Regel mit ihren Unternehmen - für ein weiteres sehr wertvolles und für die gesamte Gesellschaft gutes Ergebnis sorgen: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ging zwischen 2007 und 2011 von 1,73 Millionen auf 1,06 Millionen oder um fast 40 Prozent zurück! Und auch ein weiteres tolles Ergebnis des Berichts findet man kaum in den Medien: Deutschland hat aktuell die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union.Die Zahl der Erwerbstätigen ist die höchste in der Geschichte unseres Landes. Die Einnahmen des Staates befinden sich ebenfalls auf Rekordhöhe. Ende 2012 werden die Finanzminister etwa 50 Milliarden Euro mehr in der Kasse haben als 2011. Angesichts solcher Zahlen muss man schon reichlich verquer denken, wenn man da von einem „armen Staat“ spricht!Unser Staat hat viel weniger ein Einnahme- als vielmehr ein Ausgabeproblem. 

Höhere Steuern wären grundfalsch; zum Glück hat die Bundeskanzlerin all den populistischen Forderungen in diese Richtung eine klare Absage erteilt.Das heißt beileibe nicht, dass alles in Ordnung wäre und nichts getan werden müsste:Wir brauchen mehr soziale Fairness! Wir brauchen dringend eine Veränderung im sogenannten „Mittelstandsbauch“: Weil der progressive Steuertarif nicht gleichmäßig, sondern ab dem Grundfreibetrag von gut 8.000 Euro steil ansteigt, werden besonders kleine und mittlere Einkommen schwer gebeutelt. Da besteht längst konkreter Handlungsbedarf!

Ja, und wir brauchen endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit und der Missbrauch von Leiharbeit und Minijobs muss unterbunden werden. Und wer mehr Chancen für alle haben will, der muss auch endlich mehr für Bildung, Ausbildung und Qualifizierung tun.Und ebenso klar ist, dass die „Reichen“ noch mehr dazu animiert werden sollten, sich stifterisch zu engagieren. Der Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, Hans Fleisch, liegt richtig, wenn er die Bundesregierung dazu auffordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen weiter zu verbessern. Warum soll es bei uns nicht eine ähnlich gute Stiftungskultur wie in den USA geben, wo die Superreichen sich gerade dazu entschlossen haben, die Hälfte ihrer Vermögen zu stiften; in den allermeisten Fällen für Aufgaben, zu denen der Staat alleine nicht in der Lage ist – und es auch mit noch so vielen Steuererhöhungen nicht wäre. 

© Dr. Walter Döring

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