Lastesel Mittelstand
Es vergeht keine Politikerrede, in der nicht der Mittelstand
hochgehalten wird, seine Leistungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft
insgesamt in den höchsten Tönen gelobt werden und er für gänzlich unverzichtbar
für das Wohlergehen unseres Landes erklärt wird. Aber die Wirklichkeit, die
harten Fakten sprechen eine andere Sprache: Nach einer Studie der Weltbank und
der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC hat in Deutschland
die Belastung von Mittelständlern mit Steuern und Abgaben im vergangenen Jahr
deutlich zugenommen: Der Anteil aller Steuern und Abgaben am Gewinn ist von
46,8 Prozent im Jahr 2012 auf 49,4 Prozent gestiegen.
Die Auswertung dieser Studie durch Tobias Kaiser in der WELT
vom 20.11. 2013 ergab: Im Vergleich von Steuersystemen in 189 Staaten fiel
Deutschland wegen dieser höheren Belastungen von Rang 72 auf Platz 89 zurück.
Mit den knappen 50 Prozent an Abgaben und Steuern liegt
Deutschland deutlich über dem Durchschnitt der EU-Länder. Weltweit zahlen die
Unternehmen im Schnitt 43,1 Prozent, also nahezu 15 Prozent weniger, was sich
negativ auf die Wettbewerbschancen deutscher Firmen auswirkt. Konkret: Gegen
den weltweiten Trend steigen Steuern und Abgaben für kleinere und mittlere
Unternehmen in Deutschland, dem Lastesel Mittelstand wird immer mehr
aufgeladen.
Selbst Länder, die nicht gerade dafür bekannt sind, ein
Niedrigsteuerland zu sein, belasten ihre Mittelständler weniger als hierzulande
üblich. So beträgt die Gesamtbelastung in Dänemark nur 27 Prozent, in
Großbritannien 34 und in den Niederlanden 39 Prozent. Fazit der Studienleiter:
„Eine höhere Gesamtsteuer- und Abgabenbelastung geht ganz direkt zu Lasten der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands“.
Das ist ein ernsthaftes Problem, das auch an der
Investitionsquote in Deutschland sichtbar wird: Jahr für Jahr sinkt das Niveau
der Investitionen. Die Betriebe leben und zehren von der Substanz. Die
insgesamt geringen Investitionen - auch die der öffentlichen Hand - führen
längst zu Mangelerscheinungen z. B. an unseren Schulen, an der Infrastruktur,
an neuen Industrie- und Gewerbeeinrichtungen etc. Was Deutschland dringend
benötigt, ist ein wettbewerbsfähiges Steuerrecht. Eines, das Investitionen
fördert.
Jan Dams: „Deutsche Firmen müssen in den kommenden Jahren im
Inland deutlich mehr investieren, wenn das Land im weltweiten Wettbewerb nicht
zurückfallen soll. Investitionen sichern Jobs“ – mehr als Vieles von dem, was
die Großkoalitionäre gerade an Geschenken verteilen wollen.
Die Argumente der öffentlichen Hand, sie benötige eben mehr
Geld, und müsse deshalb auch beim Mittelstand „zulangen“, sind wohlfeil.
Auch und gerade die öffentliche Hand sollte doch auch
berücksichtigen, was Ludwig Erhard einst ausführte: „Jede Ausgabe des Staates
beruht auf einem Verzicht des Volkes“; egal, ob Arbeitnehmer, Rentner oder eben
mittelständischer Unternehmer. Wo aber sind heute noch Ludwig Erhards Erben zu
finden?
Was Deutschlands Mittelstand jetzt braucht, sind klare
Signale, dass man ihn als Stütze, als Rückgrat unserer Gesellschaft haben will.
Er ist in der Regel in ganz besonderer Weise an den Standort Deutschland
gebunden. Er investiert und beschäftigt und bildet vor Ort aus. Das soll auch
in Zukunft so bleiben.
Damit dies aber auch zum Vorteil und Nutzen von uns allen so
bleiben kann, darf es nicht dabei bleiben, dass dem Lastesel Mittelstand immer
mehr aufgeladen wird, denn wenn er einmal unter seiner Last zusammenbricht,
bricht mehr zusammen als „nur“ der Mittelstand. Dann stünde für uns alle mehr
auf dem Spiel.
© Dr. Walter Döring
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