Stabilitätsgesetz fortschreiben: Vom Magischen Viereck zum Sechseck
Im nächsten Jahr werden zumindest die Wirtschaftsmagazine
und die Wirtschaftswissenschaftler das 50-jährige Jubiläum des
Stabilitätsgesetzes feiern, das 1967 die damalige Große Koalition und in dieser
vor allem Karl Schiller auf den Weg gebracht hatten. Seit diesem 8. Juni 1967
ist die Wirtschaftspolitik Deutschlands in diesem sogenannten Stabilitätsgesetz
zur Förderung und Stabilität der Wirtschaft verankert: „Bund und Länder haben
bei der Gestaltung der wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die
Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. D. h. sie
sollen nach dem Prinzip des Magischen Vierecks handeln und dafür sorgen, dass
Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches
Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum herrschen“.
Diese genannten Ziele sind auch die wichtigsten
wirtschaftspolitischen Ziele, die als „Magisches Viereck“ bezeichnet werden;
„magisch“ deshalb, weil nicht alle Ziele gleichzeitig erreichbar sind, da sie
ja immer auch in einem „inneren Zielkonflikt“ zu einander stehen.
Nun ist aber doch unbestritten, dass sich in den vergangenen
nahezu 50 Jahren viel getan hat: Neue Themen und ganz andere Herausforderungen
als vor einem halben Jahrhundert stehen zu ihrer Lösung an. So war z. B. die
Forderung nach einer „Ökosozialen Marktwirtschaft“ seinerzeit noch kein Thema.
„Ökosoziale Marktwirtschaft“ ist ein Wirtschaftskonzept, das auf freien
Märkten, Eigentum und Eigenverantwortung basiert. Hinzu kommen zwei Säulen: Die
eine bedeutet sozialen Ausgleich, also die faire Verteilung der
erwirtschafteten Güter, um einen dauerhaften Konsens innerhalb der Gesellschaft
zu erreichen. Die andere Säule beinhaltet den Schutz der Umwelt. Sie ist
schlechthin die Voraussetzung für das Überleben der Zivilisation.
Und natürlich auch ganz wichtig: Die Erfahrungen der großen
Verwerfungen der Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise, die ja auch noch
andauern und enorme weltweite soziale Probleme mit sich gebracht haben, machen
eine Fortentwicklung im Bereich der
Ökonomie, der Theorie und der ökonomischen Praxis, unerlässlich.
Deshalb treten eine Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestags, mehrere internationale Kommissionen, eine ganze Reihe von
Wirtschafts-Nobelpreisträgern und auch der Senat der Wirtschaft für eine
Fortschreibung des Stabilitätsgesetzes ein. Konkret geht es um eine Erweiterung
des Magischen Vierecks hin zum Sechseck.
Der Schutz unserer Lebensgrundlagen, der Umweltschutz, das
nachhaltige Wirtschaften gehört als fünfte „Ecke“ hinzu und angesichts der
sozialen Verwerfungen auch eine ausgeglichenere Einkommensverteilung als
„sechstes Eck“.
Bittere Armut wie in weiten Teilen Afrikas, eine
Jugendlichen-Arbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent und Gehälter die in der
Spitze das Achthunderfache einer Pflegekraft erreichen, sind mitverantwortlich
für Massenflucht, gewalttätige Demonstrationen und Wahlergebnisse, die im Kern
die Demokratie und damit den Wohlstand aller bedrohen.
Die Erweiterung vom Vier- zum Sechseck wird auch den
Unternehmen gut tun. Nach jüngst vorgelegten Studienergebnissen der
Bertelsmann-Stiftung erfahren diejenigen Unternehmen am meisten Zuspruch und
die höchsten positiven Bewertungen - die auch das Käuferverhalten beeinflussen
- die sich am Allgemeinwohl orientiert verhalten. Nach diesen von Bertelsmann
veröffentlichten Studien ist es den Befragten bei der Beurteilung von
Unternehmen sehr wichtig, wie sich diese ihren Beschäftigten gegenüber
verhalten, welche Beiträge sie zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen
leisten und wie sich die Leistungen der Angestellten in den Einkommen
niederschlagen.
Der Senat der Wirtschaft fasst das Ganze so zusammen: „Im
Einzelnen müssen zu den vier Zielgrößen des Magischen Vierecks
Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches
Gleichgewicht und angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum ein
Balance-Parameter der Einkommensverteilung (Sicherstellung einer „efficient
inequality range“) und konsequenter Umwelt- und Ressourcenschutz hinzugenommen
werden, nicht nur implizit durch Verantwortungsweitergabe an andere
Politikbereiche, sondern explizit im Gesetz selbst: Vom Magischen Viereck zum
Sechseck“!