Die Zeitung ist tot! Es lebe die Zeitung, denn Zeitung ist Heimat!

Für leidenschaftliche Zeitungsleser und erst recht natürlich für die Macher dieser wunderbaren gedruckten Medien waren die letzten Wochen schmerzhaft: Mit der „Frankfurter Rundschau“ und der „Financial Times Deutschland“ sind innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Renommierblätter vom Markt verschwunden. Und besonders schmerzlich: Sie waren die Spitze eines Eisbergs, die prominenten Vertreter einer Gattung, die in den letzten zehn Jahren enorme Verluste zu verzeichnen hatte: Dutzende Lokalblätter sind mehr oder weniger lautlos vom Markt verschwunden.

Wenn diese Hiobsbotschaften etwas Symbolhaftes haben, dann als Weckruf an die Medienbranche, dass es nicht zu spät ist; und sie reagiert: Chefredakteur Gabor Steingart vom „Handelsblatt“ macht „drei unbequeme Wahrheiten“ für den Niedergang verantwortlich:

  1. Die Verleger haben die Kraft des Internets unterschätzt, als sie sich entschlossen, „die Waren Information und Analyse im Internet gratis feilzubieten – ein Jahrhundertirrtum“. Die Folge. Es kam zu einer einzigartigen Machtverschiebung: Google macht pro Jahr mehr Gewinn als alle deutschen Tageszeitungen zusammen Umsatz! Die „Umsonst-Kultur“ muss beendet werden. Die Zeitung auf dem Handy und auf dem Tablet-Computer wird kommen, aber auch die Rechnung dafür muss (!!) kommen!
  2. Die Wirtschaft zieht sich zurück. Sie finanziert die Zeitungen nicht mehr, denn sie schaltet keine Anzeigen mehr; zumindest nicht mehr in der für das Überleben der Zeitungen notwendigen Menge. Diese jahrzehntelange „Mit-Finanzierungs-Bereitschaft“ der Wirtschaft fehlt heute, und damit fehlt den Verlagen die unabdingbar notwendige Finanzierungsgrundlage. Alle Entscheidungsträger in der Wirtschaft müssen aber beachten und die Verantwortung spüren: Es gibt keine Demokratie ohne eine funktionierende Pressevielfalt.
  3. Nicht wenige Verlage und Blattmacher haben ihre Leser schlichtweg schlecht behandelt. Der mündige Leser will unabhängigen Journalismus, er will keine Zentralredaktionsverschmelzung, er möchte empfangen und senden, verstehen und verändern, er will was zu sagen haben. Steingart: „Der Leser steht eben nicht am Ende einer medialen Wertschöpfungskette, wie manche meinen, sondern an ihrem Beginn. Er ist die Gottheit unseres Berufsstandes, und wir sollten keine Götter neben ihm dulden. Das bedeutet: Journalistische Unabhängigkeit ist auch in Zeiten knapper Kassen nicht verhandelbar“.Es geht darum, die vielleicht beste Medienlandschaft der Welt zu erhalten.

Der Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo: „Das gedruckte Medium ist überhaupt nicht am Ende. Es muss sich nur immer wieder öffnen für jene, die es erreichen will. Es darf sein Relevanzversprechen nicht brechen durch eine permanente Skandalisierung des politischen Lebens oder eine auf Dauer abstoßende Konformität der Meinungen. Es braucht Verleger, die Durststrecken aus Überzeugung durchhalten und die um die Grenze wissen zwischen notwendigem Kostenmanagement und einem Substanzverlust, der noch geschäftsschädigender ist als ein Anzeigenrückgang. Es braucht die Kooperation, nicht die Gegnerschaft zwischen Print und Online; beide bedingen einander“.Und natürlich braucht es leidenschaftliche Leser, die den Genuss einer guten Tageszeitung und eines Wochenmagazins wertschätzen.

Das Bezahlen dieses wichtigen Guts muss wieder zur Normalität werden.Der Pessimist sagt zur heutigen Lage des gedruckten Mediums: „Die Zeitung leidet“. Der Optimist erwidert: „Stimmt, aber dieses Leiden beweist: Die Zeitung lebt“.Stephan Weichert fasst in der WELT am Sonntag vom 25. November 2012 zusammen: „Die alles entscheidende Frage bleibt: Wollen die Menschen den Journalismus noch, und sind sie bereit, dafür zu bezahlen? Denn eine unabhängige Presse kann nur bestehen, wenn sie auch am Markt überlebt. Die Hoffnung ist, dass sich das Problem des fehlenden Bezahlwillens im Internet irgendwann in Luft auflösen wird – spätestens dann, wenn die Gesellschaft sich (hoffentlich) darüber klar geworden ist, dass eine gute Zeitung immer auch ein Stück Heimat ist“.

© Dr. Walter Döring

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