Alarmierendes Nord-Süd-Gefälle zulasten der Jugend

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor hat Anfang Januar den Sozial- und Beschäftigungsbericht für die Europäische Union vorgelegt – und dieser fiel erschreckend, ja geradezu dramatisch aus: Die EU zerfällt zunehmend in einen immer ärmer werdenden Süden mit Rekordarbeitslosenzahlen und einen vergleichsweise vermögenden Norden mit Regionen, in denen Vollbeschäftigung herrscht. Die Schere geht seit fünf Jahren immer weiter auseinander: Noch vor wenigen Jahren lag die Arbeitslosenquotendifferenz zwischen dem Norden und dem Süden bei 3,5 Punkten.

Heute beträgt die Kluft 7,5 Prozentpunkte. In den kriselnden Südländern Griechenland, Spanien und Portugal sind fast 20 Prozent ohne Beschäftigung, im Norden, in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, sind es ca. 5,5 %. Das kann aber auch den Norden nicht beruhigen, denn noch nie in den vergangenen 20 Jahren waren in der EU so viele Menschen arbeitslos: 11,8 Prozent sind nicht nur ein Alarmsignal, sondern stellen eine dringende Notwendigkeit zum Handeln dar. Und natürlich ist in einer gemeinsamen Europäischen Union der Norden für den Süden mitverantwortlich.Und auch für weite Teile des Ostens der Union, denn in der Slowakei und in den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sieht es kaum besser aus als im Süden.

Der Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau, Suma Chakrabarti, warnt deshalb auch davor, den Osten der Europäischen Union zu vergessen: „Alle reden vom Süden, aber kein Mensch redet darüber, was in Osteuropa still und heimlich passiert“.

Die Mischung aus steigender Arbeitslosigkeit und notwendigen Einsparungen und Reformen hat z. B. in Griechenland dazu geführt, dass griechische Familien mit einem Fünftel weniger Geld auskommen müssen als noch vor drei Jahren. Bundespräsident Gauck hat dazu in diesen Tagen gesagt, dass er sich gar nicht vorstellen möchte, was bei einer ähnlichen Entwicklung bei uns hier in Deutschland los wäre.

Diese Zahlen sind insgesamt schon dramatisch und besorgniserregend genug, aber besonders verheerend ist die Tatsache, dass es bei diesem an sich schon beklagenswert genügenden Zustand die Jugend im Süden Europas besonders hart trifft: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40 und teilweise sogar bei 50 Prozent!

Der EU-Sozialkommissar sprach in diesem Zusammenhang von „einem miserablen Jahr für Europa“.Und jetzt geht es darum: Wie lassen sich die Versprechen des Sozialstaats bezahlen und gleichzeitig die Bildungs- und Karrierechancen von jungen Menschen erhalten?

Es droht im Süden Europas eine ganze Generation von jungen Menschen heranzuwachsen ohne jegliche Erfahrung von Arbeit und einem geregelten Einkommen. „Armer Süden mit besonders armer Jugend ohne jede Perspektive“ – das kann und darf uns im reichen Norden nicht kalt lassen!

EU-Kommissar Andor empfiehlt dem Süden und Osten Reformen wie die Hartz-Reformen in Deutschland: „Angemessene Arbeitsmarktreformen und besser gestaltete Sozialsysteme können den Ausstieg aus der Krise beschleunigen“.

Es ist auch die Aufgabe des Nordens in der EU, dafür Sorge zu tragen, dass die jungen und zum Teil ja auch gut ausgebildeten Jugendlichen im Süden Arbeits-, Zukunfts-, ja: Lebenschancen erhalten!Es geht nicht in erster Linie darum, Geld zu schicken. Es geht aber darum, z. B. unser duales Berufsausbildungssystem zu exportieren, Fachkräften aus dem Süden Arbeitsplätze auch im Norden anzubieten, womit beiden Teilen geholfen wäre: Der Norden verliert durch den demografischen Wandel immer mehr Menschen/Fachkräfte und benötigt im Zuge der weiter fortschreitenden Globalisierung auch immer mehr internationales Personal, und der Süden hat zum einen weniger Arbeitslose und ein besseres, zukunftsorientierteres Ausbildungswesen, was die Arbeitsplatzchancen überall erhöht.

Vor allem aber gilt: Der Norden muss Solidarität mit dem Süden üben, denn Solidarität ist Pflicht in einer Gemeinschaft, und eine zu weit auseinandergehende Schere schadet der EU insgesamt und damit auch dem Norden.

© Dr. Walter Döring

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