Endlich ist Bildungspolitik wieder ein - kontroverses - Thema!
Lange Jahre konnte man den Eindruck haben, Bildungspolitik
sei allenfalls ein Randthema, vielleicht `was für Lehrer, aber ansonsten nicht
so sehr relevant.
Das hat sich zum Glück gründlich geändert: Zum einen, weil
die Unternehmen dringenden Bedarf an gut ausgebildetem Nachwuchs anmelden; in
Zeiten des demografischen Wandels mit immer älteren und immer weniger jüngeren
Bundesbürgern ein herausragendes Zukunftsthema von überlebenswichtiger
Bedeutung für die Unternehmen.
Und zum andern, weil die grün-rote Landesregierung das
baden-württembergische Schulsystem grundlegend mit der Einführung der
„Gemeinschaftsschule“ ändern möchte.
In den Gemeinderäten des Landes, in denen über die
Einführung der Gemeinschaftsschule diskutiert wird, gehen die Wogen hoch, auf
Elternabenden wird kontrovers debattiert, die Wirtschaft versucht, sich kundig
zu machen hinsichtlich der für sie zu befürchtenden Absenkung des
Ausbildungsniveaus an den Schulen und unterschiedliche Lehrerverbände suchen in
heftigen Diskursen ihre jeweiligen Positionen.
Die Bildungsdiskussion ist mitten in der Gesellschaft
angekommen.
Warum soll das anerkannt erfolgreiche und bewährte
Schulsystem des Landes geändert werden? Weil die Regierung es so will und sich
davon mehr „Chancengerechtigkeit“ verspricht. Die von Grün-Rot selbst so
bezeichnete „Revolution im Bildungsbereich“ sieht vor: Keine Gliederung mehr in
Haupt-, Realschule und Gymnasium, sondern eine einzige Schule, in der es weder
Klassen noch herkömmliche Noten gibt, und in der die Schüler Lerninhalt und -tempo
selbst festlegen. Jetzt gibt es landesweit 42 solcher Schulen, 87 weitere
kommen 2013 hinzu.
Hiergegen formiert sich Widerstand: Das „Bündnis pro
Bildung“ wehrt sich dagegen, dass „in einem Land wie Baden-Württemberg, das bei
Pisa immer super abschnitt, ohne Not alles umgekrempelt wird.“
Die Wirtschaft fragt sich, warum „wir in Baden-Württemberg
mit einem so erfolgreichen Schulsystem jetzt dazu bereit sein sollen, alles in
Frage zu stellen“.
Wir, die wir alle in einem dreigliedrigen Schulsystem ausgebildet
worden sind, leben in dem Bundesland, das zu den wirtschaftlich erfolgreichsten
gehört - in Deutschland und in Europa. Wir leben hier in einer Region, die zu
den innovativsten gehört - in Deutschland und in Europa. Wir leben durch dieses
gute und bewährte Schul-Ausbildungs-System in der Region der Weltmarktführer -
mit den meisten Weltmarktführern in Deutschland und in Europa. Wir haben
dadurch mit wenigen anderen Regionen zusammen die geringsten
Arbeitslosenzahlen, vor allem die geringsten Arbeitslosen unter den
Jugendlichen - in Deutschland und in Europa.
Dies alles zusammen sichert seit Jahrzehnten unseren
Wohlstand und die Zukunftsperspektiven unserer jungen Generation.
Das ist uns doch nicht einfach so zugeflogen! Das hat doch
auch ganz entscheidend was mit unseren Schulen zu tun! Das ist doch der Grund
dafür, dass es international quer durch Europa immer mehr Länder gibt, die sich
bei uns erkundigen, wie unser Schulsystem funktioniert, damit sie es übernehmen
und ihrer Jugend, die heute unter elend hoher Arbeitslosigkeit leidet, doch
noch Perspektiven ermöglichen können.
Natürlich müssen die Chancen sogenannter „Bildungsferner
Schichten“ kontinuierlich weiter verbessert werden. Natürlich braucht es noch
weit viel mehr Anstrengungen hinsichtlich „individueller Förderung“! Und
natürlich hat auch Deutschlands bekannteste Bildungsforscherin Jutta
Allmendinger recht, wenn sie fordert: „Wir brauchen Bildungsketten: Schulen,
Jugendämter, Jugendzentren und Jobcenter müssen viel enger zusammenarbeiten,
Warnsignale früh erkennen und rechtzeitig reagieren“.
Aber alles über den Haufen werfen? Dazu besteht ausgerechnet
in Baden-Württemberg nun wirklich kein Anlass.
Sehr wohl aber gibt es auch in dem erfolgreichen und
bewährten Schulsystem hier im Land und
gerade auch in unserer Region viel zu tun: Wir werden angesichts des
demografischen Wandels nicht in der Lage sein, jedem Dorf seine Schule zu
erhalten. Wir müssen zum Vorteil aller Beteiligten durch Zusammenlegungen
Schulzentren in anständiger Größe schaffen. Schulzentren, in denen dann auch
ein gutes und breites Angebot, auch an Arbeitsgemeinschaften für spezifische
Begabungen geboten werden kann.
Bildungsthemen mehr als genug! Und dies nicht nur für die
unmittelbar Betroffenen, sondern für die
ganze Gesellschaft. Gut, dass Bildung wieder ein Thema ist! Es gibt kein
wichtigeres zur Zukunftssicherung unseres Landes!
© Dr. Walter Döring
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