Zu viele Nichtwähler gefährden die Demokratie

Zwei Monate vor der nächsten Bundestagswahl am 22. September 2013 machen sich viele Demokratieforscher, Parteien und nicht zuletzt auch „pflichtbewusste“ Wähler Sorgen um einen Trend, der die Demokratie zu gefährden droht: Der Trend zunehmender Nichtwähler. Die Sorge ist berechtigt: Gingen 1972, als CDU und SPD heftig um die  neue Ostpolitik und den richtigen Weg hin zu Frieden, Aussöhnung und Wiedervereinigung rangen, mehr als 91 Prozent aller Wahlberechtigten an die Wahlurne, waren es bei der letzten Bundestagswahl 2009 gerade einmal noch knapp über 70 Prozent.

Vor kurzem erst, Ende Mai, waren bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein mit nur noch 47 Prozent so wenige wie nie zuvor zur Wahl gegangen.

Während der Politikwissenschaftler Michael Eilfort darin nichts Dramatisches sieht und von einer „aus Zufriedenheit entstandenen Apathie“ spricht, mahnt das Forschungsinstitut Forsa, das eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zu den Nichtwählern verfasst hat: „Das wachsende Heer der Nichtwähler gefährdet die Demokratie in Deutschland. Diese abnehmende Repräsentation der Bevölkerung in einer Wahlentscheidung kann dazu führen, dass der demokratische Prozess insgesamt infrage gestellt wird“.

Die Studie fragte nach den Gründen für die Wahlenthaltung. Da stand ganz oben und somit am häufigsten genannt: „Die Politiker haben kein Ohr mehr für die Sorgen der kleinen Leute“. Ein Viertel der Befragten zeigte sich mit dem „ganzen politischen System so unzufrieden, dass ich nicht zur Wahl gehe“. Diese „fundamentalen Ablehner des gesamten Systems“ wird man wohl nur sehr schwer „wieder einfangen“ können. Aber vielleicht doch die, die angaben, „dass sich die Parteien nicht mehr voneinander unterscheiden“.

Das bewerten Wahl- und Parteienforscher als eine Mahnung an Frau Merkel, die dabei war und im Moment wieder dabei ist, alle Themen, die noch zur Auseinandersetzung taugten und durch kontroverse Diskussionen zur Parteinahme und damit die Wählerschaft zum Urnengang motivierten, „abzuräumen“; siehe: Abschaffung der Wehrpflicht, Energiewende, Mindestlohn, Mietpreisbremse bei Neuvermietungen und andere Themen mehr, die es in der Summe wirklich schwer machen, noch Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien CDU und SPD zu erkennen.

Frau Merkel, so beobachtete das Handelsblatt, „verheimlicht nicht einmal, dass sie einige ihrer Ideen von der SPD abgekupfert hat. Ihr geht es als CDU-Chefin um die breite Mitte“.

Da ist ja im Grunde nichts dagegen einzuwenden, aber „für die Sozialdemokraten entfällt damit eine wichtige Abgrenzung gegenüber dem politischen Gegner im Kampf um die Wähler“ – und viel wichtiger noch: Es fehlt aufgrund dieser zunehmenden „Verwechselbarkeit“ und somit auch „Austauschbarkeit“ der Parteien der Mobilisierungseffekt auf die Wähler; und die bleiben dann zuhause und das Reservoir der Nichtwähler wächst dann noch weiter.

Schade, dass vergessen ist, dass auch in Deutschland – im damals noch geteilten – viele Bürgerinnen Leib und Leben riskierten, um endlich an freien Wahlen teilnehmen zu dürfen. Bundespräsident Joachim Gauck erklärte deshalb, dass er aus dieser eigenen und sehr persönlichen Erfahrung heraus an jeder, wirklich an jeder, Wahl teilnehmen werde. 

Wahlrecht ist immer auch ein bisschen Wahlpflicht, damit die Demokratie auch wirklich funktioniert. Klar: Unser Wahlrecht beinhaltet ausdrücklich auch das Recht zur Wahlenthaltung. Aber Mitsprache, Mitwirkung, die Chance etwas zu ändern – das sollte doch zur Wahlteilnahme motivieren! Und bei nahezu 40 (!!) vom Bundeswahlleiter vor wenigen Tagen zur nächsten Bundestagswahl zugelassenen Parteien, sollte doch auch wenigstens eine dabei sein, für die man sich nach reiflicher Überlegung und auch „Wirkungsabschätzung“entscheiden kann.

© Dr. Walter Döring

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