Das Votum der Schweiz sollte als Mahnung verstanden werden!
Die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz haben mit ihrem zwar
knappen, aber in seiner Wirkung Europa geradezu erschütterndem Votum gegen die
Zuwanderung ein Zeichen gesetzt, das wie „Donnerhall“ durch Europas Medien
hallte, und Beschimpfungen, erhobene Zeigefinger und – besonders töricht! –
Drohungen gegen unsere eidgenössischen Nachbarn hervorrief.
Gar nicht passend, aber nicht untypisch: Man bewundert die
Schweiz, wenn sie ihr Volk über unverschämt hohe Boni von Managern oder das
Verbot von Minaretten abstimmen lässt, aber man kritisiert sie heftig, wenn
eine Volksbefragung nicht der vermeintlichen „political correctness“ zu
entsprechen scheint. Die „direkte Demokratie“, die gerade jetzt wieder in
Deutschland so lauthals gefordert wird, hat eben auch ihre Tücken; vor allem
immer dann, wenn die daraus resultierenden Ergebnisse „den Oberen“ nicht ins
Konzept passen.
Dabei sollte das Votum gegen die unbegrenzte Zuwanderung vor
allem als eines genommen werden: Als Mahnung, endlich offensiver deutlich zu
machen, wofür dieses gemeinsame Europa steht, welches die Vorteile für uns alle
sind, welche Nachteile eine Abschottung mit sich brächte, was die Grundpfeiler
der EU sind und vieles mehr; kurz: Die zumeist trägen EU-Befürworter müssen
runter von der Zuschauertribüne und rein in die Manege, voll rein in den Kampf
um die Zukunft Europas. Das gilt für die Politik, das gilt aber ebenso und
vielleicht sogar erst recht für die Wirtschaft.
Noch immer ist Europa der wichtigste Markt für unsere
exportorientierte und exportstarke Wirtschaft. Wo aber sind die
„Wirtschaftskapitäne“, die es auf sich nehmen, der mit der EU handernden und an
der EU zunehmend zweifelnden Bevölkerung in Frankreich, Holland, Großbritannien
und nicht zuletzt in Deutschland selbst zu erklären, wie sehr unsere
Arbeitsplätze und damit unser aller Wohlstand von der EU abhängen?
Es wird doch niemand so blauäugig sein, anzunehmen, in den
eben genannten Ländern würden die Ergebnisse bei einer Volksbefragung gänzlich
anders ausfallen; da muss man doch nur hören und lesen, was Marie Le Pen in
Frankreich und Geert Wilders in Holland für Jubelgesänge anstimmten, als das
Votum der Schweizer verkündet wurde.
Es hilft nichts, den EU-Skeptikern Vorwürfe hinsichtlich
„mangelnden Durch- oder Überblicks“ zu machen oder sie rundweg als
„Ewiggestrige“ zu diffamieren. Fakt ist: Die Globalisiserung hat das Leben
unübersichtlich gemacht. Die Bürger verlieren zunehmend das Vertrauen in die EU
oder fühlen sich mit ihren Ängsten und Sorgen nicht ernst genommen. Viele
fühlen sich fremdgesteuert von dem anonymen „Molloch Brüssel“. Und eine zu
beachtende Tatsache ist auch, dass die Schweiz einen Ausländeranteil von gut
23, Deutschland einen von gut neun Prozent hat. Also auch diesbezüglich ist
gerade in Deutschland zunächst einmal Zurückhaltung bei der Beurteilung der
Schweizer Entscheidung geboten!
Denn, so der Chefredakteur der WirtschaftsWoche Roland
Tichy, wir machen es mit Rumänen und Bulgaren nicht viel anders, als es jetzt
gerade die Schweizer u. a. ja gerade mit und Deutschen gemacht haben: „Die
Schweizer wehren sich mehrheitlich gegen Wirtschaftsflüchtlinge,
Armutsmigration und Sozialtourismus. Denn aus Sicht der Schweizer kommen wir
Deutschen eben wie Sinti und Roma in Scharen daher, nutzen die
Freizügigkeitsregel der EU aus, überschwemmen das Land, verstopfen die Straßen
und nehmen den Einheimischen die Arbeit weg. Ein Sechstel der Ausländer in der
Schweiz sind Deutsche. Plötzlich machen Deutsche die unangenehme Erfahrung,
dass man selbst ganz schnell Ausländer wird: Eigentlich ist man fast überall
Ausländer, nur daheim nicht.
Und warum genau beherrschen deutsche Kellner die berühmte
Schweizer Gastronomie und deutsche Ärzte das Schweizer Gesundheitssystem? Weil
sie in der Schweiz besser bezahlt werden und Ärzte weniger Bereitschaftsdienste
leisten müssen. Kurz, der Deutsche in der Schweiz ist ein klassischer
Wirtschaftsflüchtling, der vor den Sparprogrammen im deutschen
Gesundheitssystem das Weite sucht. In die so aufgerissenen Lücken in München
oder Berlin springen Ärzte aus Bulgarien oder Rumänien. Aus deren Sicht sind
das Gehaltsniveau und die Arbeitsbedingungen in Berlin oder München super“.
Nun haben die Schweizer aber mit ihrem Votum einen
Grundpfeiler des Fundaments der europäischen Einigung ins Wanken gebracht: Die
Freizügigkeit von Kapital, Waren und Personen gehört zum Gründungsgedanken der
Europäischen Union! Und es gibt keine Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs
ohne Freiheit des Personenverkehrs!
Diese Grundprinzipien der europäischen Integration dürfen
nicht infrage gestellt werden!
Deshalb ist es wichtig, zum einen das große „soziale
Auseinanderklaffen“ in der EU und auch in ihren einzelnen Mitgliedsstaaten zu
bekämpfen und zum andern müssen die vernünftigen Köpfe in Wirtschaft, Kultur,
Sport und Politik für Europa kämpfen: Wir brauchen ein großes überparteiliches
proeuropäisches Bündnis, das die Vorteile dieser EU, dieses gemeinsamen
Europas, klar und deutlich herausstellt; kurz: Europa steht 2014 am Scheideweg.
Kämpfen wir für den richtigen, den gemeinsamen europäischen Weg!
© Dr. Walter Döring
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