20 Jahre EU-Binnenmarkt: Deutschland größter Gewinner der europäischen Integration
Der offiziell seit dem 1. Januar 1993 bestehende europäische
Binnenmarkt hat nach einer jetzt veröffentlichten Studie der
Bertelsmann-Stiftung zu „20 Jahre Binnenmarkt - Wachstumseffekte der
zunehmenden europäischen Integration“ - allen beteiligten Ländern messbare
Vorteile gebracht; am meisten haben Deutschland und Dänemark profitiert. Das
reale Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland in jedem Jahr um durchschnittlich
37 Milliarden Euro gestiegen. Das entspricht einem jährlichen Einkommensgewinn
von 450 Euro pro Einwohner. Lediglich Dänemark hat einen noch höheren
Integrationsgewinn zu verzeichnen: Dort kam jeder Einwohner sogar auf runde 500
Euro.
Der Binnenmarkt spielt für das Zusammenwachsen Europas die
zentrale Rolle. Sein Fundament ist der freie Verkehr von Waren, Personen,
Dienstleistungen und Kapital. Man spricht hier allgemein von den sogenannten
„vier Grundfreiheiten“, die Handelshemmnisse zwischen den beteiligten Ländern
abbauen und Importe deutlich preiswerter machen, was zur Erhöhung der Kaufkraft
der Konsumenten führt.
Für die Stärkung der europäischen Integration gab es immer
zwei grundlegende Motive: die Friedenssicherung bzw. den Friedenserhalt in
Europa und die Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands. Bundespräsident
Joachim Gauck wird zu Recht nicht müde, immer wieder auf die lange Friedenszeit
in Europa hinzuweisen.
Die umfassende Bertelsmann-Studie, die von Wissenschaftlern
vorbereitet, begleitet und durchgeführt wurde, weist nun auch nach, dass erreicht
wurde, womit vor der Schaffung des gemeinsamen Marktes neben der
Friedenssicherung ebenfalls geworben worden war: den wirtschaftlichen Wohlstand
der Bürgerinnen und Bürger zu steigern.
Wirtschaftsexperte Thieß Peteresen: „Der EU-Binnenmarkt ist
das Herzstück der europäischen Integration und beschleunigt das
Wirtschaftswachstum in allen Mitgliedsstaaten“. Und wichtig ist auch, dass
nicht alleine die „Nordländer“ in der EU zu den Gewinnern zählen, sondern auch
der Süden der EU vom gemeinsamen Binnenmarkt profitiert hat und weiter davon
profitieren wird: „Griechenland erzielt bei dieser Betrachtung ebenfalls einen
integrationsinduzierten Einkommensgewinn, auch wenn dieser mit 70 Euro gering
ausfällt, was aber vor allem den dortigen hohen Verlusten in 1992 und 2012
geschuldet ist“.
Theresa Eich und Stefan Vetter stellen in ihrem Buch „Der EU
Binnenmarkt nach 20 Jahren“ zwar auch die erreichten Erfolge heraus, machen
aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass „nichts selbstverständlich ist und
von alleine so bleibt“, sondern dass auch weiterhin daran gearbeitet werden
muss, sowohl den Frieden als auch den wirtschaftlichen Erfolg auf Dauer zu
sichern. So spielen z. B. nationale Grenzen noch immer eine große Rolle, u. a.
im Bereich des Dienstleistungshandels, der grenzüberschreitenden Mobilität von
Arbeitskräften und der öffentlichen Auftragsvergabe. Zu den noch
unerschlossenen Potentialen des gemeinsamen EU-Binnenmarktes zählen sechs
Bereiche mit besonders guten Perspektiven: Das Transport- bzw. Speditionswesen,
der Einzelhandel, das Hotelwesen, der Gebäudebau und das Architektur- und
Ingenieurwesen. Zusätzlich führen die Wissenschaftler aus: „Zur ebenfalls
notwendigen Vollendung eines gemeinsamen Binnenmarktes bieten sich unter
anderem eine schnellere und einfachere Anerkennung der in einem anderen
EU-Mitgliedsland erworbenen beruflichen Qualifikationen an, eine grenzüberschreitende
Zusammenführung von Arbeitssuchenden und Stellenangeboten sowie die
grenzüberschreitende Zusammenführung von Arbeitssuchenden und Stellenangeboten
sowie die grenzüberschreitende Übertragbarkeit von Ansprüchen im Bereich der
sozialen Sicherung“.
Daran sieht man: Die Erfolge und die positiven Auswirkungen
des EU-Binnenmarktes sind für uns alle enorm, aber es bleibt auch noch einiges
zu tun. Und vielleicht trägt diese nachgewiesene Erfolgsgeschichte ja auch dazu
bei, neue Handelsabkommen unvoreingenommener und mit mehr Blich auf die damit
zusammenhängenden Chancen anzugehen.
Dr. Walter Döring
Kommentare
Kommentar veröffentlichen