200 Jahre Bismarck – der „Reichsgründer“ schuf dauerhafte Reformen bis in die Gegenwart

Otto von Bismarck, der „eiserne Kanzler“, eine „der schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte“, Vorbild des „spektakulären Außenpolitikers“ Henry Kissinger, „Kriegstreiber“, so Holger Afflerbach, nach Christian Staas „Realpolitiker“, Rudolf Augstein zufolge „ein Politiker mit kaltschnäuziger Größe“ und nach allgemeiner Schulbuchlehre der „Reichsgründer“, wurde am 1. April 1815, als Deutschland „ein Flickenteppich aus Einzelstaaten war“, in Schönhausen als zweiter Sohn des „über große Ländereien und Reichtum verfügenden“ Rittmeisters Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck und dessen aus einer angesehenen Gelehrtenfamilie stammenden Ehefrau Luise Wilhelmine in ein bedeutendes Adelsgeschlecht hinein geboren.

Die unterschiedliche soziale Herkunft seiner Eltern hatte Auswirkungen auf Bismarcks Sozialisation, die Golo Mann grob wie folgt zusammenfasste: „Bildung, Klugheit, Ehrgeiz, Weltläufigkeit, Geschäftsgewandtheit mag man mit dem Milieu der Mutter in Zusammenhang bringen. Was aber seinen Talenten wirkende Einheit gab, die untergründige Kraft, der Wille, die Rohheit, deren er fähig war, die unersättliche Erwerbsgier, die sich nicht so sehr auf Geld wie auf Wald und Land richteten, sie waren bismarckischer Natur. Einen intellektuellen Bürger aus ihm zu machen, der sich als  Baron maskierte, hieße das großartig-wirre Bild seines Charakters vereinfachen. Landkind war er wirklich, ein Liebhaber des Waldes und der Tiere; seine Grundansichten über Mensch und Gesellschaft blieben bis zuletzt von den ländlich patriarchalischen Eindrücken seiner Jugend mitbestimmt“.

Bismarck strebte früh nach einer Ausbildung, die ihm die Grundlage für eine Tätigkeit „in der Politik“ ebnen sollte. So engagierte er sich neben seiner Arbeit auf dem väterlichen Gut mehr und mehr in der Politik. Als Mitglied im preußischen Vereinigten Landtag war er überzeugter Monarchist. Im Revolutionsjahr 1848 stand er klar auf der Seite des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV. Der König schickte ihn zur Belohnung nach Frankfurt am Main, wo er beim Deutschen Bund bald eine herausragende Rolle spielen sollte.

Weitere Etappen auf seinem Weg waren die Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten 1862 und Bismarcks - nach Andreas Molitors - „berühmteste Rede seiner mehr als vierzigjährigen Politikerlaufbahn“, die „Blut- und Eisen-Rede“ vom 30. September 1862. In dieser führet Bismarck aus: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der Fehler von 1848 und 1849 gewesen - ,sondern durch Eisen und Blut“.
Dieser Überzeugung folgend führte Otto von Bismarck drei Kriege auf dem Wege zur Reichsgründung: Gegen Dänemark 1863, anschließend im Ringen um die Vormachtstellung auf dem Kontinent den „Bruderkrieg“ gegen Österreich 1866 und schließlich 1870/71 den Deutsch-Französischen Krieg. Den Sieg in diesem Krieg nutzte Bismarck sofort politisch: Am 18. Januar 1871 proklamierte er Wilhelm I. im Spiegelsaal von Schloss Versailles zum deutschen Kaiser und rief den einheitlichen deutschen Nationalstaat aus.

Hier setzt Christoph Nonn mit seiner soeben erschienen Bismarck-Biografie an mit den Parallelen zu „damals und heute“: Die offensichtlichste ist die Rolle, die Deutschland unter Bismarck in Europa spielte. 1871 entstand eine hegemoniale Macht inmitten des Kontinents – so wie 1990 mit der Wiedervereinigung, mit der Deutschland zum „Schwergewicht der Europäischen Union wurde“. Christoph Nonn: „Otto von Bismarck galt lange Zeit … als der „Reichsgründer“. Helmut Kohl ist in Analogie dazu „Kanzler der Einheit“ genannt worden. Beide Etiketten ignorieren nicht nur, dass Reichsgründung wie Wiedervereinigung ausgesprochen komplexe historische Prozesse gewesen sind, an denen Bismarck und Kohl jeweils nur als ein – wenn auch wichtiger – Akteur unter vielen beteiligt waren“.

Und hinzu kommt eine außenpolitische Komponente: „sowohl 1871 als auch 1990 stand eine angelsächsische Weltmacht dem Einigungsprozess wohlwollend gegenüber. In beiden Fällen war die östliche Flügelmacht Europas, Russland, anderweitig und vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die zwei wichtigsten anderen europäischen Mächte – Frankreich und Österreich 1871, Frankreich und Großbritannien 1990 – lehnten die deutsche Einigung zumindest anfangs eher ab, ohne sie freilich verhindern zu können. Sie arrangierten sich dann aber wenigstens teilweise – wie Österreich nach 1871 und Frankreich nach 1990 – mit dem neuen deutschen Nationalstaat in der unmittelbaren Nachbarschaft, so dass aus argwöhnischen Nachbarn bald enge Freunde wurden.

Darüber hinaus schuf Otto von Bismarck nach hartem innenpolitischem Ringen Bleibendes: Der Kulturkampf, den er mit Härte und geradezu „verbissener Leidenschaft“ geführt hatte, endete mit langfristigen bis heute wirkenden Veränderungen: 1871 erließ Bismarck den „Kanzelparagrafen“, nach dem den Geistlichen politische Meinungsäußerungen verboten wurden. 1872 folgte das Schulaufsichtsgesetz, das eine staatliche an die Stelle der geistlichen Schulaufsicht setzte. 1874/75 führte er schließlich die Zivilehe als rechtlich bindend ein. Von nun an war vor dem Gesetz nur noch die Eheschließung auf dem Standesamt gültig, nicht mehr die kirchliche.

Und natürlich ist Bismarcks Sozialgesetzgebung seine größte und dauerhafteste Leistung, von der wir alle heute noch profitieren: Der Einführung der Unfallversicherung folgten Versicherungen gegen Krankheit, Invalidität und Altersarmut. Mit seiner umfassenden Sozialgesetzgebung erwies sich Reichskanzler Otto von Bismarck als großer Reformer und in ganz Europa, ja sogar weltweit, als Vorreiter einer sinnvollen sozialen Gesetzgebung, die in ihren Grundausrichtungen bis heute Bestand hat.


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