Die schwindende Einkommensmobilität schadet unserer Gesellschaft!

Während in den Medien ein „Auseinanderklaffen“ unserer Gesellschaft – „die Schere geht immer weiter auseinander“ – beklagt wird, einzelne Institute entgegen den Fakten lauthals beklagen, dass „die Reichen immer reicher werden“, und ebenso falsch wie hartnäckig behauptet wird, die Erosion der Mittelschicht schreite voran, wird eine Entwicklung weitgehend ausgeklammert, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft aber von entscheidender Bedeutung ist: die Einkommensmobilität ist in Deutschland ins Stocken geraten.
Der Reihe nach: Nach Professor Bert Rürup, Berater des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, Befürworter einer höheren Erbschaftsteuer und von daher unverdächtig, ein „Kapitalist“ zu sein, steht eindeutig fest: Für Deutschland gilt die Behauptung „immer ungleicher werdender Einkommen nicht: Denn in Deutschland entfällt auf das oberste Prozent der Haushalte der Einkommensskala heute nicht mehr vom Gesamteinkommen als 1950 – nämlich elf Prozent.“

Und auch die in den Medien kolportierte Erosion der Mittelschicht findet nach Rürup nicht statt:  „ Seit 25 Jahren beziehen etwa 60 Prozent der deutschen Haushalte ein Einkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens.“

Auch hinsichtlich der „immer weiter auseinandergehenden Schere“ hält Rürup fest: „Deutschland zählt innerhalb der OECD-Staaten immer noch zu den Industrieländern mit einer halbwegs ausgewogenen Einkommensverteilung.“

Was sich bei uns aber spürbar zum deutlich Schlechteren, ja eindeutig zum Nachteil unserer Gesellschaft, entwickelt hat, das ist die Einkommensmobilität, die merklich abgenommen hat. „Einkommensmobilität beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person oder ein Haushalt innerhalb eines bestimmten Zeitraums – seien es eins, drei oder auch fünf Jahre – seine Position innerhalb der Pyramide der Einkommensbezieher verändern kann.“ 

Einkommensmobilität bedeutet für gering oder auch unterdurchschnittlich Verdienende die Chance auf einen Einkommenszuwachs und damit verbunden auch einen „sozialen Aufstieg“. Und vor allem: „Eine hohe Einkommensmobilität ist so etwas wie das Lebensblut in den Adern einer dynamischen Marktwirtschaft“.

Diese wichtige, da anspornend wirkende Einkommensmobilität ist in Deutschland noch nicht zum Erliegen gekommen, aber sie ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen; die „Beharrungsquote“ also gestiegen. Das hat negative Folgen für die ganze Gesellschaft, denn eine sinkende Einkommensmobilität steht ja auch für „verkrustete“ Strukturen, die wiederum als verantwortlich gelten für Wachstumsschwäche, was eine Studie ergab, die 34 OECD-Staaten mit Nicht-OECD-Staaten verglichen hatte.

Auch der „Zufriedenheitsgrad“ in einer Gesellschaft mit spürbarer Einkommensmobilität ist höher. Anstrengung wird anerkannt, ja „lohnt sich“; eine nachweislich wertvolle Antriebsfeder.
Um wieder zu einer besseren Einkommensmobilität zu gelangen, von der letztlich die gesamte Gesellschaft profitiert, ist es notwendig, die „Bildungsrenditen“ und / oder die auf dem Arbeitsmarkt erbrachten Leistungen angemessen zu würdigen; der „Weg nach oben“ auf der Einkommensskala muss möglich werden; für alle, nicht nur für wenige „Auserwählte“, die dann wie Monstranzen als Beleg für „geht doch“ vorgeführt werden.

Holger Schäfer und Jörg Schmidt, die sich seit Jahren mit dem Thema Einkommensmobilität befassen, stellen fest: „Der Aspekt der Einkommensmobilität hat eine eigenständige Bedeutung im Hinblick auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Eine ungleiche Einkommensverteilung könnte zwar mit staatlicher Umverteilung egalisiert werden, aber dies kann mit erheblichen Effizienzverlusten verbunden sein. Eine bestehende Einkommensungleichheit wird im Allgemeinen eher hingenommen, wenn jeder die Chance hat, in der Einkommenshierarchie aufzusteigen. Ist also die Einkommensmobilität hoch, resultiert aus sozialer Ungleichheit nicht zwangsläufig ein verteilungspolitischer Handlungsbedarf. Wenn jedoch umgekehrt die relative Einkommensposition pfadabhängig und statisch ist, steigt der politische Umverteilungsdruck, wodurch im Extremfall die Akzeptanz der Wirtschaftsordnung gefährdet werden könnte.“

Fazit: Die Wohlfahrt eines Landes wird umso höher eingeschätzt, je größer die Einkommensmobilität ist.

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