Und trotzdem: Für den Euro!
Raus oder rein, zurück zur guten alten DM - nichts, was
gegenwärtig rund um den Euro nicht diskutiert würde. So forderte z. B.
Princeton-Professor Ashoka Mody am 20.7. im Handelsblatt, dass Deutschland
„raus muss, weil davon alle in der Euro-Zone profitieren“. Es ist aktuell
ziemlich „in“, den Euro in Frage zu stellen und ihn für alles, vor allem für
alles Negative, für alles, was tatsächlich oder scheinbar schlecht läuft,
verantwortlich zu machen: Der Euro wird für Konflikte, für hier und da
aufkommendes nationales Denken, für Wertverlust und als Beleg für ein „halt
doch zu großes Europa“ als „schuldig“ herangezogen. Manche Kritiker versteigen
sich gar zu der Forderung, „die EU müsse zurückgestutzt werden, damit die
Länder wieder frei atmen könnten, denn nur so könne der Frieden gewahrt
werden“.
Einspruch: Das
Gegenteil ist richtig!
Ohne den Euro hätte der Frieden in der Vergangenheit schwer
gewahrt werden können – und er könnte es in Zukunft noch weniger.
Beweise: 1992 gab es den Euro noch nicht, aber als Projekt
war er in den europäischen Regierungszentralen längst angekommen. Torsten
Krauel dazu in der WELT vom 6. Juli 2015:
„Paris und Rom hofften mit dem Euro eine deutsche Dominanz zu
verhindern. Diese Hoffnung hat konkret verhindert, dass aus dem jugoslawischen
Bürgerkrieg ein europäischer Balkankrieg geworden ist. Es kam nicht zu den
alten Reflexen aus der Nationalzeit – Frankreich für Serbien, Deutschland für
Kroatien, und dazu noch Länder wie Ungarn, Rumänien oder Albanien auf der Suche
nach nationaler Größe. In die Flasche zurückgestoßen wurden diese alten
Weltkriegsgeister durch die Aussicht auf die kommende gemeinsame Währung. Der
Euro disziplinierte die Einflusszonenverfechter. Besonders Paris versprach sich
vom Euro eine große Stärkung Frankreichs in der EU. Dasselbe galt für Italien
und die Beneluxländer. Die Zulassung zum Euro-Club war eine so wichtige
Prestigeangelegenheit, dass nationale Atavismen an dieser Aussicht scheiterten.
Es kam nicht zum europäischen Balkankrieg“.
Seit der Jahrtausendwende hat der Euro gleich mehrfach
verhindert, dass einzelne Regierungen ihr Heil in der einseitigen
Währungsmanipulation gesucht haben. Vor allem in der lang anhaltenden
Weltfinanzkrise 2008 bis 2010 hätte ein innereuropäischer Währungskampf
verheerende Schäden angerichtet; übrigens zu Lasten vor allem der „weniger
Begünstigten“! „Dank des Euros, der damals bereits eine der großen
Weltreservewährungen geworden war, gab es auch international eine größere
Bereitschaft, bei der Krisenüberwindung auf Europa zu hören, als es ohne Euro
der Fall gewesen wäre“.
Ein weiteres Beispiel für die positive Wirkung des Euros: In
jüngerer Zeit war z. B. in Ungarn immer wieder einmal zu beobachten, dass die
dortige Regierung das Thema „ungarische Minderheiten in Rumänien oder auch in
der Slowakei“ zum Anlass nahm, „zu zündeln“. Die Emotionen südöstlich Wiens
sind leicht zu entflammen. Die „Euro-EU“ hat verhindert, dass solche Emotionen
in der Slowakei, in Rumänien oder Bulgarien „freien Lauf bekamen“.
Aber auch „gen Westen“ hat der Euro enorm positive Wirkungen
entfaltet: „Unser“ Euro hat bewirkt – und tut es noch! – dass die
US-Internetkonzerne und Finanzakrobaten ihre aggressive Wirtschaftsstärke hier
in Europa eben nicht so „austoben“, wie sie das sonst weltweit tun und
natürlich auch hier praktiziert hätten. Torsten Krauel führt ein anschauliches
Beispiel an: „Das Kartellverfahren gegen Microsoft wegen der Zwangsintegration
von Windows-Betriebssystem und Internetbrowser war ein Beispiel dafür, was dann
möglich ist – und nicht geschehen wäre, wenn die EU-Staaten noch immer eigene
nationale Währungsinteressen im Hinterkopf hätten“.
Und noch ein Argument, das für den Euro spricht: Ein
zersplitterter Währungsraum ist immer auch eine Versuchung, das eine gegen das
andere Land auszuspielen.
Erfreulicherweise haben heute die allermeisten Politiker,
Manager, Gewerkschafter und selbst Kolumnisten von Portugal bis Helsinki
dasselbe Interesse an einer dauerhaften Währungsstabilität. Amerikanische
Firmen, Hedgefonds und die großen Pensionsfonds wissen ziemlich genau, was das
heißt.
Auch deshalb sollte man Griechenland nicht „rauswerfen“,
sondern die Kraftprobe um den Fortbestand des Euros und des Euro-Raums
fortsetzen. Natürlich können in den Euro-Mitgliedstaaten immer wieder einmal
populistische Regierungen gewählt werden. Das Ziel muss es aber gerade deshalb
sein, den Euro so stabil und widerstandsfähig zu machen und zu halten, dass es
für die Stabilität unserer Währung egal ist, ob eine Partei wie Syriza in Athen
den Aufstand probt.
Aber wir sollten es nicht dabei belassen, den Euro immer
wieder mit den bisher vorhandenen Möglichkeiten zu verteidigen und zu retten,
sondern wir sollten aus der gemachten „griechischen Erfahrung“ daran gehen, den
Euro- und EU-Verbund durch eine europaweite Wirtschafts- und Sozialpolitik und
ihn somit durch eine umfassende und zukunftssichere Reform so krisenfest zu
gestalten, dass ihm nichts mehr passieren kann; zumindest nichts seine Existenz
Bedrohendes.
Die gemeinsame Währung ist viel zu wertvoll, viel zu
wichtig, um sie wegen Griechenland im Kern in Frage zu stellen. Der Euro hat
seit Jahrzehnten eine friedenssichernde Wirkung – und deshalb: Gerade auch
jetzt: für den Euro!
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