„Die im Süden“ sind nicht fauler!
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unter großem Beifall der
bundesrepublikanischen Öffentlichkeit die Südländer dazu aufgefordert, sich
mehr anzustrengen; im Klartext: Sie hat sie dazu aufgefordert, mehr zu
arbeiten.
Das hat die „BILD“ auf den Plan gerufen, die der Kanzlerin
sofort mit großen Lettern beisprang und ausführte. „ Es darf nicht sein, dass
die einen verzichten und zahlen, während sich die anderen schonen und munter
kassieren!“
Nun kommt es natürlich immer gut an, wenn man sich selbst
bzw. „sein eigenes“ Land als besonders fleißig und andere mehr oder weniger als
„faule Absahner“ darstellt.
Wie aber stellt sich das in der gelebten Wirklichkeit dar?
Zu den Fakten mit einigen konkreten Beispielen im europäischen Vergleich:
Beginnen wir mit der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit in
geleisteten Stunden:
Die Griechen arbeiteten 2008 am meisten, nämlich 2 120
Stunden, die Italiener 1 802 Stunden, die Spanier 1 647 Stunden – und die
Deutschen mit 1 430 Stunden mit weitem Abstand am wenigsten.
Interessant ist auch der Vergleich der jährlichen
Urlaubstage: Wir Deutschen leisteten uns 2009 volle 30 Urlaubstage, während die
Griechen mit 23 Urlaubstagen auskamen und die Portugiesen und Spanier mit
jeweils lediglich 22 Tagen.
Also ist es nicht ganz so einfach mit den Faulen und den
weniger oder gar nicht Faulen in Europa.
Das gilt auch für den hierzulande viel diskutierten
hinausgeschobenen Renteneintritt mit 67 Jahren. Der steht zunächst mal auf dem
Papier. Die Realität sah bei den Männern zuletzt so aus, dass die Portugiesen
ein tatsächliches Renteneintrittsalter von 67 Jahren zu verzeichnen hatten, die
Iren eines von 63,3,Jahren, die Griechen eines von 61,9 Jahren und die
Deutschen eines von 61,8 Jahren.
Fazit: „Die im Süden“ sind wohl nicht einfach „fauler“ als
wir, aber wir sind deutlich produktiver, ohne die Produktivsten in Europa zu
sein: Hier liegen die Iren knapp vor uns – und dann ist der Abstand zu „den
anderen“ beträchtlich: Die Iren erreichten 2010 eine Produktivität von stolzen
31 211 Dollars pro Kopf, die Deutschen schafften 28 438 Dollars und Portugal
weit abgeschlagen nur 18 228 Dollars pro Kopf.
Noch wichtigeres Fazit: Die „nackten“ Daten sagen nicht
wirklich viel aus. Sie liefern allenfalls einige Anhaltspunkte für europäische
Vergleichsdaten, aber sie sollten nicht zur alleinigen Grundlage von relevanten
Zukunftsentscheidungen herangezogen werden. So muss z. B. der demografische
Faktor hinsichtlich der Alterung der jeweiligen Länder ebenso herangezogen
werden wie die Bildungschancen der jungen Generation oder auch die
Weiterbildungschancen der älteren etc.
Und wichtigstes Fazit: Bitte keine Vorverurteilungen und
keine Vorurteile unseren europäischen Nachbarn gegenüber. Wir brauchen sie
alle, denn sie kaufen uns 65% unserer Exporte ab. Und diese Exporte sichern bei
uns Arbeitsplätze und Wohlstand!
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