Jobportale - Chance und Fluch zugleich
Die
sogenannten „Freelancer“ (Freischaffenden/Freiberufler) finden auf den
nationalen und internationalen Jobportalen weltweit
Beschäftigungsmöglichkeiten; und dies mit deutlich steigender Tendenz. Ob oDesk
oder Twago oder auch Elance - sie alle bieten Jobs der unterschiedlichsten Art
an, qualifizierte und weniger qualifizierte und alle werben „blumig“ um die
wachsende Zahl der Freelancer.
So
schreibt oDesk auf seiner Homepage: „oDesk ist nach eigenen Angaben die größte
Plattform für Freelancer und selbständige Webworker. Wer es richtig anstellt,
kann dort ein Einkommen verdienen, das den bisherigen Vollzeitjob ersetzt“.
Hört
sich doch gut an: Zu Hause arbeiten, keine Staus auf dem Weg zur Arbeit und
zurück, kein Stress mit Kollegen und Vorgesetzten - und das alles bei gleichem
Lohn; geradezu „paradiesisch“.
Jetzt
sollte man aber doch genauer hinsehen. Denn weiter heißt es dann: „Fang zu
Beginn mit einer niedrigen Rate als Stundenlohn an. … Bei einem Stundenlohn von
15 $ und einer 40 Stunden Woche lässt sich davon zumindest gut leben“.
Wirklich?
Der folgende wichtige Hinweis fehlt nämlich: Hiervon sind sämtliche
Versicherungen wie Kranken-, Lebens- und Altersversicherung bzw. Vorsorge zu
bezahlen, also abzuziehen.
Julia
Graven warnt im SPIEGEL: „Bei oDesk wurden im vergangenen Jahr 35 Millionen
Stunden für insgesamt 350 Millionen Dollar abgerechnet. Die o. g.15 Dollar sind
also klar die Ausnahme an der oberen Grenze der in diesen Portalen angebotenen
Jobs. Im Kern liegt der durchschnittliche Stundensatz also bei zehn Dollar. Zum
Vergleich: Deutsche IT-Freiberufler stellen laut Jobbörse Gulp im Schnitt 79
Euro pro Stunde in Rechnung“.
Natürlich
gibt es wie in nahezu allen Bereichen auch hier welche, die „es geschafft“
haben und in der Sonne sitzend auf der eigenen Terrasse oder sogar vom Strand
aus arbeiten. Aber auch hier gilt: Von den wenigen, die so arbeiten und gut
verdienen können, darf man sich nicht blenden lassen.
Der
normale Alltag der „Digitalen Tagelöhner“ sieht meistens doch ganz anders aus.
So berichtet ein Heilbronner Fremdsprachenassistent auf SPIEGELonline: Obwohl
er Tag und Nacht am Computer sitze, könne er von den Übersetzungen für einen
chinesischen Spielehersteller nicht leben. Die Preise im Internet seien
verheerend. Manche Auftraggeber wollten nur 0,01 Cent pro Quellwort zahlen. Er
zählt sich zum „intellektuellen Prekariat“, kann an dieser Art des Freelancing
nichts Zukunftsträchtiges entdecken und will rasch raus aus dieser „Notlösung“.
Manche
Firmen sehen darin aber keinesfalls eine Notlösung, sondern eine riesige Chance
und wollen Teile ihrer Arbeit künftig von solch einem Heer von Freiberuflern
erledigen lassen. IBM gehörte hier zu den „Pionieren“. Die hausinterne
Terminologie dazu heißt „Liquid Ressource“, also „flüssige Quelle“. Die
Vorteile der neuen Arbeitsorganisation für eine Firma hat ein IBM-Manager
bereits 2010 in einer US-Fachzeitschrift aufgeführt: Es gäbe keine
Gebäudekosten, keine Renten und keine Kosten für das Gesundheitswesen, was
enorme Einsparungen ermögliche.
Die auf
diese Art veränderte Arbeitswelt stellt den einzelnen Anbieter seiner
Dienstleistung in einen weltweiten Wettbewerb mit auch allen asiatischen
Anbietern, die oft genug auch mit „Niedrigstlöhnen“ zufrieden sind und so die
Preise/Löhne nach unten drücken.
Die
digitalen Tagelöhner sind aktuell ohne jeden Schutz und reichlich rechtlos;
eine Kehrseite der Moderne und auch der Globalisierung. Deshalb muss zur
Sicherung von Chancen und zur Abwehr „vom Fluch der
Digitalisierungsauswirkungen“ der Rat an die Freelancer von Ursula von der
Leyen, als sie noch Bundesarbeitsminsterin war, wiederholt werden: „Digitale
Tagelöhner, stellen Sie nicht nur Rechnungen, sondern auch Ansprüche“.
© Dr.
Walter Döring