Die EU ist so schlecht gar nicht dran!
Unmittelbar nach dem Brexit riefen alle Berufenen und sich
selbst Berufenden auf nationaler und internationaler Ebene laut „Alarm“ und malten
die schlimmsten Befürchtungen vor allem hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen
Entwicklung der EU an die Wand, womit sie den Eindruck erweckten, wir lebten
auf einem Kontinent, auf dem überall blanke Not und größtes Elend herrschten.
Am lautesten und mit den weitgehendsten Forderungen meldete sich die
Fraktionsvorsitzende der Linken, Sarah Wagenknecht, zu Wort. Unter den
Forderungen nach einem „Ende des Spardiktats“, einem „sozialen Neustart“ und
einem „massiven Anti-Krisen-Programm“ machte sie es mal wieder nicht.
Da mag dann doch vielleicht ein sachlich-nüchterner Blick
auf die Fakten helfen, zu dem wir Deutschen wohl am besten in der Lage zu sein
scheinen, denn allem Anschein nach hat uns der Brexit - so Ulf Poschardt in der
WELT am 9.Juli – „europäischer gemacht, anstatt mit Anti-Brüssel-Ressentiments
zu flirten. Laut aktuellen Umfragen entscheiden sich die Deutschen für noch
mehr Zuneigung zum Kontinent“.
Kommen wir also zu den Fakten, die belegen, dass es um die
EU gar nicht so schlecht bestellt ist, wie uns die Untergangspropheten
weismachen wollen:
In den vergangenen zehn Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt,
BIP, der EU trotz einiger gewaltiger Krisen um insgesamt 20 Prozent auf 14,6
Billionen Euro gestiegen. Besonders wichtig dabei: Das BIP pro Kopf stieg um 17
Prozent auf doch nun wirklich vorzeigbare 28.700 Euro. Ja, zugegeben: In den
USA stieg es um satte 30 Prozent, aber gut ist doch, dass es in allen
EU-Staaten außer in Griechenland gestiegen ist.
Zum Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit ist noch immer fast
so hoch wie 2010: 22,9 Millionen! Aber: Die Anzahl der Erwerbstätigen ist nach
Dirk Heilmann vom Handelsblatt Research Institute von 2005 bis 2014 „um knapp
sechs Millionen auf 227 Millionen gestiegen. Dies ist auf eine stärkere
Erwerbsbeteiligung von Frauen zurückzuführen. In 16 EU-Staaten sind heute mehr
Menschen erwerbstätig als vor zehn Jahren“. Große Probleme gibt es hier noch in
Griechenland und Spanien mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosen sowie Kroatien
und Zypern mit jeweils 15 Prozent.
Ganz besonders erwähnenswert und erfreulich ist die langsam
in Gang gekommene positive Bewegung auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche: Die
Zahl der Jugendlichen ohne Arbeit oder Ausbildungsplatz sank leicht von knapp
unter 13 auf jetzt noch zwölf Prozent; noch immer viel zu hoch, keine Frage,
aber doch „Licht am Ende des Tunnels“.
Soziale Ungleichheit und Armut; Dirk Heilmann: „Auch hier
ist keine katastrophale Entwicklung zu finden. Die durchschnittlichen
Nettoeinkommen der EU-Bürger sind von 2006 bis 2014 um 24 Prozent gestiegen –
also stärker als das BIP. Der Anteil der unteren 40 Prozent der
Einkommensbezieher am gesamten nationalen Nettoeinkommen sank von 2006 bis 2014
leicht von 21,6 auf 20,9 Prozent, der der oberen 40 Prozent stieg von 60,8 auf
61,6 Prozent. Die mittleren 20 Prozent beziehen unverändert 17,5 des nationalen
Nettoeinkommens“. Insgesamt also wahrlich keine „dramatische Verschlechterung
des sozialen Gefüges“, wie manch EU-Kritiker anführen zu müssen meint.
Sozialdemokraten, allen voran Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel, werden nicht müde, ein „Ende des Spardiktats“ und damit die
Abkehr vom Ziel der „schwarzen Null“ zu fordern. Wie aber sieht es mit dem
vermeintlichen „Spardiktat“ in Zahlen und Fakten aus? Es gibt kein solches,
sondern im Gegenteil: Die Ausgaben sind kontinuierlich gestiegen: In der Summe
sind die Staatsausgaben in der EU von 2006 bis 2014 um volle 21 Prozent auf
satte 6,73 Billionen Euro gestiegen - also stärker als das BIP in der gleichen
Zeit! Spanien erhöhte seine Staatsausgaben um 20, Belgien gar um 40 Prozent,
ohne, dass ihnen ein Sparkommissar mit einem „Spardiktat“ in die Arme gefallen
wäre und „Halt“ gerufen hätte. Heilmann: „Von einem Spardiktat, das die
Regierungen in ganz Europa zu Kürzungen gezwungen hat, ist in diesen Zahlen
nicht viel zu erkennen“.
Mit diesen Fakten soll nun nichts beschönigt oder
relativiert werden, zumal viele Griechen, Spanier, Iren, Portugiesen und Zyprer
elend harte Zeiten zu durchleben hatten und noch immer haben, aber sie sollen
doch aufzeigen, dass es auf der einen Seite natürlich nach wie vor einzelne
EU-Mitgliedsstaaten gibt, die dringend Strukturreformen benötigen, auf der
anderen Seite die EU insgesamt aber so schlecht nicht dasteht. Und sie zeigen
auch, dass erste Reformerfolge zu verzeichnen sind. Deshalb wäre es jetzt auch
falsch, wieder „mit Geld für verpuffende Konjunkturprogramme um sich zu
werfen“. Und weil es um die EU nicht so schlecht bestellt ist, wie manche sagen
und in diesem „schlecht reden“ ihren Erfolg bei Wahlen suchen, sollte man eben
nicht in dieses Krisengerede einstimmen und damit Investoren abschrecken.
Deshalb nochmal: Wir stehen in und mit der EU besser da als oft dargestellt und
sollten unverdrossen an weiteren Verbesserungen arbeiten!
© Dr.
Walter Döring