Und wieder einmal wird es um die Steuern gehen
Ein knappes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, die - so
nichts Gravierendes dazwischen kommt wie z. B. der Rücktritt von Frau Merkel,
der so lange in Berlin spekulativ gehandelt wird, bis sie sich (endlich) zur
Kandidatur erklärt - im September 2017 stattfinden wird, werden die Top-Themen
„in Stellung gebracht“: Neben der Flüchtlingsproblematik, der inneren und
äußeren Sicherheit, hoffentlich endlich auch der Bildung, wird das Thema
„Steuern“ wieder eine herausragende Rolle im Wettbewerb der Parteien um die
Gunst der Wählerinnen und Wähler spielen.
Wieder einmal!
Die Steuereinnahmen sprudeln, die Niedrigst-Zins-Phase
entlastet Schäubles Kassen und die der Ländern und Kommunen um dreistellige
Milliardenbeträge - und die Steuerschätzungen lassen weitere Milliarden-Zuflüsse
in die öffentlichen Kassen erwarten.
Das weckt Begehrlichkeiten; nicht nur bei den Ressortchefs
und-chefinnen, sondern auch bei der Wirtschaft und den brav ihre Steuern zahlenden
Bürgerinnen und Bürgern.
Die Politik weiß das. Sie weiß, dass „Spielräume“ bestehen.
Sie kennt die Erwartungshaltung der Wählerinnen und Wähler, der
Interessensvertretungen und Lobbyisten, kurz aller, die „mehr vom brutto“ haben
wollen und sich dabei im Recht sehen: Seit Jahren zahlen sie mehr, seit Jahren
steigen die Einnahmen des Staates, seit Jahren werden sie mit Versprechungen auf
Steuersenkungen hingehalten - und seit Jahren tut sich im Grunde nichts bei
ihnen auf der Habenseite.
Schauen wir einmal die bisherigen Versprechungen an: 2003
sollte die Steuererklärung auf den berühmten „Bierdeckel“ passen; Erleichterung
und Entlastung wurden als Voraussetzungen dafür genannt und sollten kommen.
Gekommen ist nichts davon.
2005 ging die CDU kurzzeitig mit Paul Kirchhof ins Rennen,
der eine radikale Vereinfachung und deutlich geringere Steuern vor allem für
die niedrigen und mittleren Einkommensbezieher ankündigte. Nachdem Gerhard
Schröder ihn als „diesen Professor aus Heidelberg“ verunglimpft hatte, ließ ihn
Merkel fallen mit der Konsequenz: Wieder war es nix mit einer spürbaren
Steuersenkung.
2009 vereinbarten CDU und FDP reichlich stolz und vollmundig
in der Verkündung eine umfassende Steuerreform mit deutlich geringeren
Belastungen; das Ergebnis ist bekannt: Wieder kam nix und die FDP flog aus dem
Bundestag.
Nun hält sich vor der Wahl 2017 nur Sigmar Gabriel zurück
und verkündet ganz offen: „Ich halte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts von
Steuersenkungen. Wir benötigen das Geld für Infrastrukturmaßnahmen und Bildung“.
Nicht falsch.
Nicht falsch ist aber auch: Der Bundesfinanzminister freut
sich allein in diesem Jahr über 18 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bei den
Steuern. Und während er von den historisch niedrigen Zinsen Jahr für Jahr
profitiert und zig-Milliarden weniger Schuldenzinsen zahlen muss, leidet der
Sparer durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank unter spürbaren Zinsverlusten
für sein sauer Erspartes und die Firmen leiden durch 0-Zinsen an Verlusten bei
ihren Betriebsrentenanlagen.
Deshalb ist jede Forderung nach Steuersenkungen berechtigt -
und der Wettbewerb ist eröffnet. In der CDU tritt Carsten Linnemann, Chef der
CDU/CSU Mittelstandsvereinigung, für eine Entlastung bis 30 Milliarden Euro
ein, sein Fraktionschef Volker Kauder will bis 15 Milliarden mitgehen, Schäuble
sieht Luft bis ebenfalls 15 Milliarden, und CSU-Chef Seehofer und sein
Finanzminister Söder wollen beide mehr und werden auch konkret: Stufenweise weg
mit dem Soli, eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und „endlich
die dauerhafte Beseitigung der kalten Progression“. Die kalte Progression ist
tatsächlich ein wahres Übel, das nun wirklich endlich abgeräumt werden muss,
denn dass Arbeitnehmer nach einer Lohnerhöhung real netto weniger haben als
vorher, das gehört zu den unfairsten und ungerechtesten und schändlichsten
Elementen des deutschen Steuerrechts.
Bei den Grünen gibt es ebenfalls unterschiedliche Positionen
zum Thema Steuern: Jürgen Trittin, der mit seiner Steuererhöhungsorgie den
letzten Bundestagswahlkampf seiner Partei als Spitzenkandidat vermasselt hat,
hat nichts dazu gelernt, sondern will immer noch höhere Steuern und keine
Entlastung, wogegen die Fraktionsvize Kerstin Andreae sich für eine spürbare
Reduzierung der Steuerlast ausspricht.
Die FDP ist wie stets für Steuersenkungen und arbeitet noch
an der Konkretisierung ihres Modells; gebrannte Kinder…
Dass die Linke für Erhöhungen eintritt, sei hier der
Vollständigkeit halber erwähnt.
Dorothea Siems sagte in einem Leitartikel in der WELT am 14.
September 2016: „Angesichts der für die kommenden Jahre prognostizierten
Steuermehreinnahmen von über 100 Milliarden Euro gibt es jetzt die Chance,
sowohl mehr in die Infrastruktur und das Bildungssystem zu investieren und
dennoch die Bürger zu entlasten.“
Also klar scheint: Es wird auch einen Steuerwahlkampf geben.
Wir sollten als Steuerzahler auf Streichung des Soli, der kalten Progression
und der Entlastung im kleinen und mittleren Bereich und auf „Deckelung oben“ bei
maximal 45 Prozent pochen. Je weniger wir dabei, bei der Wahlentscheidung,
denen nachlaufen, die ständig neue Versprechungen mit irre teuren
Sozialleistungen ankündigen, desto größer die Chance, dass es zu
Steuersenkungen auch wirklich kommt; denn merke: Jede neue vermeintliche
Wohltat kostet zusätzliches Geld. Und wer zahlts? Genau: Der Steuerzahler, der
dann wieder nichts zurückbekommt.
© Dr.
Walter Döring