Chinas Xi Jinping kämpft für Freihandel und reicht uns die Hand - wir sollten sie annehmen
Trump und Merkel kamen nicht, aber einer kam; zum ersten
Mal. Und er beherrschte nicht nur alle Gespräche vor Ort, sondern auch weltweit
die Medien: Chinas Präsident Xi Jinping! Er hat alle und alles in Davos auf dem
Weltwirtschaftsgipfel in den Schatten gestellt, die ganze Welt mehr als nur
beeindruckt und vor allem: Eine Chance eiskalt, glasklar und ebenso glänzend
vorbereitet wie zu mehr als hundert Prozent genutzt.
Die WELT schrieb: „Der chinesische Präsident darf nicht nur
das diesjährige Weltwirtschaftsforum eröffnen. Er ist der Star der globalen
Elite in den Schweizer Bergen, der Andrang so groß, dass Journalisten mehr als
eine Stunde vor seinem Auftritt in die große Halle im Kongresszentrum mit einem
Fassungsvermögen von 1 500 Zuhörern kommen müssen“.
Und was sie da von ihm zu hören bekommen, war sensationell.
Xis Ansprache entwickelte sich zu einer eindrucksvollen Demonstration der
Stärke. Seine Botschaft: Mag in Amerika die Stunde der bzw. des Protektionisten
schlagen, in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und auch in
Deutschland die Stimmung gegen Freihandel und Globalisierung bisher nicht
gesehene Zustimmung erfahren – wir, die Chinesen stehen dazu. Sein weltweit
zitierter Satz: „Protektionismus ist, als schließe man sich in einen dunklen
Raum ein. Man ist geschützt vor Wind und Regen, aber auch isoliert von Luft und
Licht“ machte ihn für die in Davos versammelte „Elite“ zur neuen Hoffnungsfigur
für Offenheit und Freihandel.
Xi hat nach Meinung vieler Beobachter die wichtigste Rede im
Schweizer Winterdorf gehalten. Er hat sein riesiges Reich China als die neue
Führungsmacht der Globalisierung präsentiert und ist damit so geschickt wie
schnell an die von den Amerikanern durch ihren Rückzug ins Nationale frei
gemachte Stelle als erster Befürworter eben dieser Globalisierung getreten.
Der chinesische Präsident, zuhause mit einer Machtfülle
ausgestattet, die keiner seiner Vorgänger seit Mao so inne hatte, machte
unmissverständlich deutlich, dass China dafür bereitsteht, eine größere Rolle
und Verantwortung in der Welt einzunehmen. „Globale Kooperation, Reformen, ein
neues Wachstumsmodell, das alle mitnimmt – Xi hat große Pläne“.
Deutschland sollte da genau hinhören, denn niemand auf der
Welt ist so von offenen Grenzen und Märkten abhängig wie wir in der
Bundesrepublik Deutschland: Nach einer Studie der UN-Welthandels- und
Entwicklungskonferenz summieren sich die deutschen Exporte und Importe auf 86
Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Eine besondere Rolle spielen dabei die USA
für uns: 1,6 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen am US-Geschäft.
Donald Trumps protektionistischer „America
first“-Glaubenssatz und seine Drohung, deutsche Autobauer mit einem
35-Prozent-Einfuhrzoll zu belasten, lassen Ungutes erahnen/erwarten.
Und da springt Chinas Staatschef kraftvoll mitten rein: Er
ließ die Führungskräfte der Weltwirtschaft in Davos wissen: Wenn andere
ausfallen, wir, die Chinesen stehen bereit und öffnen uns für euch, eure Waren,
Güter und Dienstleistungen.
Es ist nur sehr schwer zu verstehen, dass ausgerechnet die
bisher so wahrgenommenen und ja auch so aufgetretenen USA nun Richtung
Protektionismus abdriften, während ausgerechnet der „mächtigste Kommunist der
Welt“, der chinesische Staatschef Xi Jinping, die Vorzüge der freien
Handels-Welt preist. Nun wird es natürlich darauf ankommen, ob er die hohen,
von ihm selbst so hoch gesetzten Erwartungen auch erfüllen kann.
Xi trat in Davos aber nicht nur als Visionär, sondern auch
als Realist auf, als er feststellte, dass man „etwas nicht als nutzlos erklären
darf, nur weil es Defekte hat“. Auch China habe lange gezweifelt, ob
Globalisierung gut für das Land sei. Die Weltwirtschaft sei aber nun einmal
„ein großer Ozean, dem man nicht entgehen kann. Nicht wenige sind in ihm
ertrunken, aber wir haben gelernt zu schwimmen“.
Xi weiß um die Schwächen und Probleme seines Landes, die er
mit Offenheit dem Rest der Welt gegenüber lösen will: Bis 2020 will er Hunger
und Armut in der Volksrepublik beenden. Bis 2025 soll sich China von der
Werkbank der Welt zum Hersteller innovativer Produkte wandeln. Bis zum 100.
Geburtstag der Staatsgründung 1949 - also bis 2049 - soll die Volksrepublik
eine „Industrie-Supermacht“ werden. Ausdrücklich lud er zur Teilnahme, zum
Mitgestalten ein: „Chinas Entwicklung bietet der Welt hervorragende Chancen,
alle dürfen mitmachen“.
Ein starker Auftritt, den wir in Deutschland sehr ernst
nehmen sollten, auch wenn China die Bedingungen wird bestimmen wollen. Wir
haben eine Ergänzungsmöglichkeit zu unseren US-Partnern, wenn nicht sogar eine
Alternative als (Trumpf-)Karte in der Hinterhand, wenn Trump tatsächlich mit
all seinen Drohungen und Ankündigungen ernst machen sollte: China ist groß, und
Xi ist auf uns zugegangen; wir sollten diese ausgestreckte Hand nicht im
Überschwang, aber doch als ein ernst zu nehmendes Angebot ergreifen.
© Dr.
Walter Döring