Industrie 4.0 und Sozialstaat 4.0 gehören zusammen!

Deutschland kann mit Industrie 4.0 auf einen höheren Wachstumspfad gelangen und damit zu einem „Digitalisierungsgewinner“ werden. Es wird dabei zu deutlichen Veränderungen der Arbeitswelt und der Erwerbstätigkeit kommen. Professor Bert Rürup: „Ob Deutschland dann am Ende tatsächlich zu einem der Digitalisierungsgewinner werden wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es der Politik gelingt, den Rechtsrahmen so zu flexibilisieren, dass die Arbeit zeitlich und räumlich flexibilisiert werden kann und sich neue Erwerbsformen ausbreiten können. Gleichzeitig gilt es darauf zu achten, dass keine sozialen Sicherungslücken entstehen und die Finanzierungsgrundlage des Sozialversicherungssystems nicht erodiert“.

Die Bundesregierung startete eine Informationsreihe unter dem Titel: „Digitalisierung und du“. Untertitel: „Wie sich unser Leben verändert“. In dieser Broschüre wimmelt es von statistischen Zahlen, Daten und Fakten und geradezu euphorischen Erwartungen; so sagt Gesche Joost, die Internetbotschafterin der Bundesregierung: „Digital ist das neue Normal!“ Und sie verweist auf „Hunderttausende neuer Arbeitsplätze“, die die Digitalisierung schaffen wird, auf Telearbeit, die es Familien leichter machen wird, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren, auf „große Chancen“ für Gründer, Familienunternehmen und Industrie, aber sie sagt kein Wort zu den mit der Digitalisierung verbundenen neuen sozialpolitischen Herausforderungen; meiner Meinung nach ein klares Manko und Zeichen von „Einseitigkeit“ bei der Betrachtung der Auswirkungen von Industrie 4.0.

In Davos war es der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber, der das Ergebnis der neuesten Studie zur „Fourth Industrial Revolution“ vorlegte und von deren globalen Auswirkungen berichtete: Die vierte industrielle Revolution wird überproportional den etablierten Industrieländern nutzen – die Schwellenländer werden mit ihren bisherigen Vorteilen wie billige Arbeit, Rohstoffreichtum und standardisierte Industrieprodukte zu den Verlierern der Digitalisierung zählen.

Mit all den aktuellen Erfahrungen im Zusammenhang mit Flüchtlingen und deren Fluchtgründen eine dringende Mahnung: Verlierer machen sich auf den Weg; es sei denn: Wir helfen vor Ort. Soziale Verantwortung macht nicht an Grenzen halt; sie gehört zu Globalisierung und Digitalisierung unabdingbar dazu, sonst wiederholen wir alte Fehler und werden noch ganz andere Flüchtlingsströme erleben.

Aber auch hier bei uns in Deutschland gehören „Sozial 4.0“ und Industrie 4.0 zusammen! Denn: Die Vernetzung „intelligenter Maschinen“ wird zahlreiche Arbeitsplätze in der Produktion, den Verwaltungen der Unternehmen und des Staates, der Logistikbranche und vor allem auch im Banken- und Versicherungssektor in Wegfall bringen. Das ZEW in Mannheim ging 2015 von knapp 50 Prozent betroffener Arbeitsplätze aus.

Der Beschäftigungsaufbau ist dagegen noch von keiner Seite seriös konkret beziffert worden.
Klar aber scheinen nach Bert Rürup die folgenden Risiken der Industrie 4.0:
Allem voran ist mit einer deutlichen Abnahme der Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten befristeter Projekttätigkeiten und einer Beschäftigung auf freiberuflicher Basis zu rechnen sowie mit einem Rückgang der Lohneinkommen zugunsten der Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und der Kapitaleinkommen.

Daraus sind nach Expertenmeinung die Folgen nicht nur, „dass von den Gewerkschaften erkämpfte soziale Errungenschaften wie Kündigungsschutz, Koalitionsfreiheit, Arbeitszeitregeln und bezahlter Urlaub unter Druck geraten. Auch die Finanzierungsbasis unseres lohnbasierten Sozialversicherungssystems könnte erodieren und die Einkommensrisiken vor allem im Alter markant ansteigen“. Funktionierende, bezahlbare und nachhaltige Sozialsicherungssysteme sind nicht alleine ein Thema für Arbeitnehmer, sondern liegen auch sehr im Interesse der Arbeitgeber, von deren Seite hierzu bisher leider ebenso wenig Substantielles wie in der Broschüre der Bundesregierung zu vernehmen ist.

Dies ist umso erstaunlicher, da gerade in unserem deutlich alternden Deutschland in der Digitalisierung enorme Wachstumschancen liegen, die umso besser genutzt werden können, je rascher Reformen angepackt werden, die den genannten Risiken entgegenwirken. Sonst besteht die Gefahr, dass „spätestens im nächsten zyklischen Abschwung die Widerstände gegen die Digitalisierung wachsen“.

Wie zumeist gibt es auch hier kein Patentrezept, aber einzelne Maßnahmen könnten hilfreich sein. Ein Beispiel: Um den durch digitale selbständige Heimwerker drohenden Ausfällen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung mit drohenden Lücken in der Altersversorgung zu begegnen, sollte eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen erlassen werden.
Gerade jetzt, an der Schwelle zu einer neuen industriellen Revolution, sollten Fehler der Vergangenheit, unter denen alle, Arbeitnehmer wie letztlich natürlich bei sozialen Verwerfungen auch Arbeitgeber, gleichermaßen zu leiden hatten, vermieden werden; am besten dadurch, dass als Konsens gilt: Industrie 4.0 und Sozialstaat 4.0 gehören zusammen!

© Dr. Walter Döring





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