Mit Stufenausbildung den Schwächeren und Flüchtlingen Perspektiven eröffnen

Es gibt wohl niemanden, der daran zweifelt, dass in der Regel eine Berufsausbildung immer noch die beste Grundlage für ein Leben mit Perspektiven in Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch in und für die Familie ist.

Nun haben wir aber seit Jahren und Jahrzehnten viel zu viele Menschen mitten unter uns, denen diese Perspektiven verwehrt bleiben, weil sie die für die allermeisten Berufsausbildungsgänge dreijährige Lehre nicht schaffen. Zu diesen jetzt schon Hunderttausenden kamen und kommen mit den Flüchtlingsströmen weitere Hunderttausende junger Menschen hinzu, für die aus unterschiedlichen Gründen, zumeist wegen der Sprachbarrieren, das Gleiche gilt: unfähig - kein Vorwurf!! – zur strikt geforderten dreijährigen Ausbildung, also von Beginn an alleine gelassen, ohne Perspektiven mit allen damit zusammenhängenden Folgeproblemen, die die Gesellschaft dann oftmals im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen kommen.

Wie teuer, das hat jüngst eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW, berechnet: Gelingt es uns nicht, die Neuankömmlinge zu integrieren und sie in qualifizierte Jobs zu bringen, könnte das den Staat langfristig bis zu 398 Milliarden Euro kosten. Erreichen die Flüchtlinge aber über eine Berufsausbildung Arbeitsmarktchancen, so bliebe dieser Studie zufolge für unseren Staat ein Plus von 20 Milliarden Euro.

Da gleichzeitig nicht nur alle Experten, sondern nach einer Umfrage eines Wirtschaftsverbands auch gut drei Viertel der Bevölkerung der Überzeugung sind, dass für die zu uns gekommenen und noch kommenden Flüchtlinge Arbeit die beste Integrationsmaßnahme ist, sollte nicht mehr gezögert werden, sondern endlich die Bereitschaft aller an Ausbildung Beteiligten konsensual dazu führen, dass umgehend über möglichst viele - es wird nicht bei allen machbar sein - Ausbildungsgänge in Stufen angeboten werden.

Folgendes ist konkret gemeint: Für die 600 000 Flüchtlinge unter 25 Jahren müssen wir uns aus mehreren Gründen so schnell wie nur irgend möglich bewegen und ihnen ihren Fähig- und Fertigkeiten entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten eröffnen, wobei doch allen klar sein muss, dass die hier übliche dreijährige Ausbildung von den allerwenigsten wird gemeistert werden können. Also braucht es „Passendes“, was anderes als das Gewohnte, viel mehr Flexibilität, die Bereitschaft der Handwerkskammern, sich für Notwendig Neues oder neues Notwendiges zu öffnen. Es geht um Menschen, die einen Teil unseres demografischen Problems lösen und später vielleicht dann sogar auch unserem Mangel an Facharbeitern abhelfen können.

Unsere traditionelle Berufsausbildung taugt weder für die niedrige Qualifikation, die die meisten Flüchtlinge mitbringen, noch für ihre spezielle Situation. Sie wollen lernen und müssen Geld verdienen - für die Familie oder um Fluchthelfer zu bezahlen. Also brauchen wir eine Teilzeitausbildung: morgens die deutsche Sprache lernen und sich mit unserer Kultur vertraut machen und nachmittags arbeiten oder eben umgekehrt.

Eine solche staatlich finanziell unterstützte Teilzeitausbildung muss für die jungen Flüchtlinge attraktiver sein als reine Hilfsarbeit oder Sozialhilfe.

Da wir ja auch viel zu viele Ausbildungsabbrecher unter den deutschen Auszubildenden haben, brauchen wir dringend eine Stufenausbildung. Also eine Lehre mit erstem Abschluss nach einem Jahr, zweitem nach zwei und einem hoch- und vollwertigem nach drei Jahren. Das muss so aufgeteilt werden, dass auch Schwächere und Flüchtlinge stufenweise qualifiziert werden. 

Es ist ja nicht so, dass es solche Modelle nicht schon gäbe: Modulare Ausbildung bei den Zeitarbeit-Arbeitgebern zum Beispiel.

Jetzt gilt es rasch und unbürokratisch zu handeln: Für die nächsten zehn / fünfzehn Jahre sollten wir rasch ein Parallelsystem für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose einführen. Das darf natürlich auf keinen Fall die bewährte duale Ausbildung zerstören, sondern muss als eine Ergänzung eingeführt werden für diejenigen, die sonst scheitern und damit nicht nur ohne Berufs-, sondern auch ohne Lebensperspektiven bleiben.

Über allem steht die Erkenntnis: Arbeit hat nicht alleine mit Broterwerb zu tun, was schon wichtig genug ist und jede Anstrengung berechtigt, sondern vielmehr auch mit der Würde des Menschen.
Diese zu sichern ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Und dafür muss dann auch einmal Althergebrachtes über Bord geworfen werden; z. B. die dreijährige Berufsausbildung zugunsten einer Stufenausbildung für alle, die sonst „draußen vor der Tür bleiben“; und dies zumeist ja dann lebenslang.

© Dr. Walter Döring



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