Trump macht Europa stark; vorausgesetzt, wir machen es richtig!
Trump macht Europa stark; vorausgesetzt, wir machen es
richtig!
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz,
Botschafter a. D. Wolfgang Ischinger, sagte jüngst: „Europa kann und sollte
durchaus selbstbewusst auftreten, denn ohne starke und enge Partner in Europa -
oder gar gegen Europa - wird Trump seine Pläne kaum verwirklichen können“.
Eben!
Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz wurde noch
deutlicher: „Amerika profitiert, wenn Freunde und Verbündete stark sind. Doch
Trumps Ansatz droht sie in ein Negativsummenspiel zu zwingen, bei dem auch
Amerika verlieren wird“. Diese Mahnung sollte Donald Trump nicht beiseite
wischen.
Stefan Schaible, stellvertretender CEO von Roland Berger,
sah es ganz ähnlich: „Trump - eine Chance für Europa“, schrieb er im
Handelsblatt vom 15. Februar. Die sollten wir nutzen!
Henrik Müller, Professor für wirtschaftspolitischen
Journalismus, führte aus, dass die EU „Grund zu Optimismus hat“, wenn sie „eine
gemeinsame Identität aufbaut“. Also ran!
Auch wenn sich zwischenzeitlich der US-Vizepräsident, der
US-Verteidigungsminister und auch der US-Außenminister Europa gegenüber sehr
versöhnlich zeigten, so bleibt die EU gefordert, endlich das Heft des Handelns
selbst in die Hand zu nehmen, denn niemand weiß, ob die drei
Regierungsmitglieder auch im Namen ihres etwas „wechselhaft agierenden“ Chefs
im Weißen Haus gesprochen haben.
Wie auch immer: Auf sechs Handlungsfelder möchte ich mich
konzentrieren, die Europa „auf Augenhöhe“ mit den USA bringen können.
Erstens könnten wir auf Trumps unfreundliche Absicht, eine
Art von „Herkunftssteuer“ einzuführen, mit „gleicher Münze zurückzahlen“.
Ischinger: „Die EU bleibt der wichtigste Markt für die USA. Es hilft, die
einfache Tatsache in Erinnerung zu rufen, dass das Handelsvolumen der USA mit
der EU etwa 37 mal so hoch ist wie das der USA mit Russland, und dass die
transatlantischen Partner durch enorme gegenseitige Direktinvestitionen
voneinander abhängig sind“.
Zweitens muss Europa die Digitalisierung mit aller Kraft als
Treiber für bessere Produkte und höhere Wettbewerbsfähigkeit nutzen. Im Moment
heißt es noch: Die Amerikaner haben das Internet, aber wir haben die Dinge. Unseren
Vorsprung bauen wir aus, wenn wir die Digitalisierung entschlossen angehen.
Unsere unbestrittene Ingenieurskunst müssen wir mit unserer Programmierkunst
noch besser kombinieren, dann bleiben wir nicht nur spitze, sondern bauen diese
sogar noch aus.
Drittens muss Europa „seine Eigeninteressen im Bereich
Serviceindustrien und Digitalisierung offensiv umsetzen“. Wir müssen den
hinderlichen und schädlichen Flickenteppich nationalstaatlicher Regeln endlich
überwinden und - wie EU-Kommissar Oettinger seit Jahren anmahnt - einen
EU-einheitlichen digitalen Binnenmarkt schaffen.
Viertens muss sich Europa zum Anwalt „faktenbasierten
Handelns machen“.
Stefan Schaible: „Eine aufgeklärte und freiheitliche Gesellschaft wird nicht überleben, wenn sie den Bezug zum Faktischen verliert. Derzeit wird versucht, das Problem des Postfaktischen mit „Wahrheitschecks“ durch gemeinnützige Organisationen wie „Correctiv“ oder „Mimikama“ in den Griff zu bekommen. Doch damit werden die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft. Technisch sollte es ohne weiteres möglich sein, die Ergebnisse bei Suchmaschinen oder Kommunikationsplattformen direkt mit digitalem Faktencheck zu verbinden.
Stefan Schaible: „Eine aufgeklärte und freiheitliche Gesellschaft wird nicht überleben, wenn sie den Bezug zum Faktischen verliert. Derzeit wird versucht, das Problem des Postfaktischen mit „Wahrheitschecks“ durch gemeinnützige Organisationen wie „Correctiv“ oder „Mimikama“ in den Griff zu bekommen. Doch damit werden die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft. Technisch sollte es ohne weiteres möglich sein, die Ergebnisse bei Suchmaschinen oder Kommunikationsplattformen direkt mit digitalem Faktencheck zu verbinden.
Fünftens brauchen wir in Europa angesichts latenter äußerer
Bedrohungen die Bereitschaft der Mitgliedsländer, von der eigenen Souveränität
Teile abzugeben, um zu einer gemeinsamen Finanzpolitik und vor allem zu einer
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu kommen.
Sechstens: Die EU wird dann erst auf „Augenhöhe“ mit den
USA, aber auch mit Putin kommen, wenn sie den seit Jahrzehnten immer wieder von
allen bisherigen US-Präsidenten - ja: von Trump am lautesten, aber auch von
Obama - erhobenen Forderungen nach deutlich steigenden Militärausgaben zur
„Eigensicherung“ nachkommt. Alle EU-Staaten haben da gewaltigen Nachholbedarf.
Bundeskanzlerin Merkel hat für Deutschland
mehr Anstrengungen ebenso zugesagt wie Verteidigungsministerin von der
Leyen. Gerade wenn es um intensive Zusammenarbeit in Europa geht, müssen wir
Deutschen eine klare Haltung entwickeln, wie die gemeinsame Verteidigung
aussehen soll. Aus Frankreich kommt oft der Vorwurf, die Deutschen wollten in
der Zusammenarbeit nur erreichen, dass die anderen für sie „die Kohlen aus dem
Feuer holen“. Wir Deutschen müssen
unseren Verbündeten durch Taten beweisen, dass dieser Vorwurf falsch ist.
Strich drunter: Europa muss sich - selbstbewusst! - neu
aufstellen. Eine gewaltige Herausforderung, keine Frage. Aber auch eine große
Chance: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Europa sind gemeinsam
gefordert, aufeinander zuzugehen und unsere gemeinsame Zukunft entschlossen in
die Hand zu nehmen. Dann haben wir alle Chancen dazu, die Herausforderungen,
die sich uns nicht zuletzt durch Präsident Donald Trump stellen, erfolgreich zu
meistern.
© Dr. Walter Döring