Heimat ist nicht provinziell, sondern menschlich!
Heimat und / oder Provinz: Oft herablassend belächelt,
ebenso oft als „braunes Wunschdenken“ verunglimpft, selten als das respektiert
und geachtet, was es / sie sind: „Der Wunsch, eine Heimat zu haben, ist kein
brauner Wunsch, er ist schlicht ein menschlicher. Heimat besteht nicht in Blut
und Boden. Heimat ist Urvertrauen – das Urvertrauen, sicher und geborgen zu
sein, nachbarschaftlich aufgehoben zu sein“, so der eher „linke“ Leiter des
Ressorts Innenpolitik der „Süddeutschen Zeitung“, Heribert Prantl.
Herbert Dachs schrieb zum selben Thema in den Stuttgarter
Nachrichten: „Heimat, das bedeutet Gefühle, Wärme, Geborgenheit, den Wunsch
nach Halt und nach festem Boden unter den Füßen. Ohne Zweifel erhält Heimat vor
dem Hintergrund der Globalisierung, der immer komplexer werdenden Welt und der
damit zusammenhängenden Rückbesinnung auf Tradition und altes Kulturgut eine wachsende Bedeutung.
Ist es nicht so, dass jeder Mensch eine Sehnsucht nach Vertrautem, nach einem
Zuhause in sich trägt? Also letztlich nach Heimat?“
Heimat ist das sichere Wissen, das Bewusstsein, dass man
„seinen Platz“, seine Aufgabe und seine Geschichte hat. Wer dies nicht hat oder
nichts davon empfinden kann, ist heimatlos – und zu bedauern.
Heimat fängt bei jedem und jeder von uns vor der jeweiligen
Haustüre an; egal, ob in Schwäbisch Hall, Crailsheim, Ansbach, Ellwangen,
Gaildorf oder Ilshofen. Die Welt zur Heimat machen, das fängt hier wie dort an.
Es fängt damit an, dass es dort eine Poststelle, einen Bäcker, einen Metzger,
ein Gasthaus und Ärzte sowie eine Apotheke gibt. Prantl warnt zu Recht: „Die
kleinen Orte veröden, zugleich veröden die Zentren mancher Großstädte. Zwischen
den Städten und entlang der Autobahnen sind hässliche Gewerbeflächen, Malls und
Logistikzentren entstanden, die die Landschaft so unterscheidungsunmöglich wie
unkenntlich machen. Das ist die Entheimatung der Heimat“.
Die Globalisierung wird sich nicht aufhalten lassen. Ihre
populistischen Gegner von ganz links und ganz rechts schüren mit ihr
zusammenhängende Sorgen und Ängste, warnen vor Entwurzelung, „Überfremdung“ und
„Heimatlosigkeit“.
Gegen diesen populistischen Extremismus spielen
Kommunalpolitiker auf allen Ebenen, im Dorf, in der Stadt, im Landkreis eine
herausragend wichtige Rolle: Eine kluge Lokalpolitik stellt nicht alleine die
Anwerbung von Firmen und Investoren in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen um
Zukunftsgestaltung, sondern ist sich der simplen Tatsache bewusst, dass es die
Menschen, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sind, die darüber entscheiden, ob
Zukunft gestaltet wird, die eben zu Recht auf den Ausgleich, auf die richtige
Balance setzt: Ja zur Globalisierung der ortsansässigen Unternehmen, damit auch
künftig Arbeits- und Ausbildungsplätze in solcher Zahl zur Verfügung stehen,
dass eine Auswahl stattfinden kann, aber gleichzeitig auch ein klares Ja zu
Heimat, „Bodenständigkeit“, Sicherheit, schulischer „Versorgung“ ebenso wie
Sicherstellung einer „allgemeinen Rundum-Vorhaltung“ von all dem, was unter
Grundversorgung zu verstehen ist. Das hat nichts mit Provinzialismus zu tun; im
Gegenteil: Ohne eine vernünftige „Verwurzelung“ ist Offenheit für Toleranz,
weltweite Arbeitsteilung, schlicht: Globalisierung nur schwer vorstellbar.
Aber leider wird der „Provinz“ seit Jahrzehnten übel
mitgespielt: Post, Telekom und Bahn haben sich rasant „aus der Fläche“
zurückgezogen, aktuell folgt die Schließung von Bankfilialen und
Hausarztpraxen. Wo Ortskernsanierungen stattfanden sind die Ladenmieten so
exorbitant angestiegen, dass der „Bäcker um die Ecke“ mitsamt dem Metzger diese
nicht mehr bezahlen kann; statt derer sind völlig austauschbare Kettenläden
erschienen, die als Allerweltsläden jede Individualität vermissen lassen und
die früheren Geschäfte für den täglichen Bedarf identitätslos verdrängt haben.
Kein Wunder, dass an vielen Stellen statt „Landlust“
deutlich „Landfrust“ zu verspüren ist. Prantl spricht von „provinzieller
Depression“. Aber da kann und muss man dagegenhalten: „Öffentliche
Verkehrsanbindungen müssen funktionieren, Schulen müssen zu neuen Mittelpunkten
des Miteinander- und Voneinander-Lernens umgestaltet werden. Medizinische
Betreuung und Pflege müssen neu konzipiert und ausgebaut werden“.
Altenheime gehören nicht im wahrsten Sinne des Wortes „an
den Rand gedrängt“, sondern es wäre sehr viel besser, die alten Menschen in die
Ortsmitte zu holen. „Dorthin, wo die Kirche, das Rathaus und die Bankfiliale
steht und wo in der zugesperrten ehemaligen Schlecker-Filiale ein neuer Dorf-
und Tante-Emma-Laden mit Waren für den täglichen Bedarf und mit regionalen
Produkten aufgemacht hat. Die Ortskerne in Dörfern, Klein- und Mittelstädten
müssen wiederbelebt werden. Die Menschen
brauchen eine wohnungsnahe Rundumversorgung“.
Dazu gehört dann auch, dass man viel mehr als aktuell dazu
bereit ist, für Waren, Güter und Dienstleistungen aus der Heimat einen
angemessenen Preis zu entrichten; z. B. und vor allem für die Lebensmittel „aus
heimischer Produktion/Landwirtschaft“!
Der Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894-1967) hatte einst
geschrieben: Die Welt muss provinziell werden, dann wird sie menschlich; er
meinte: heimatlich.
© Dr. Walter Döring