Der Populismus-Vorwurf ist oft selbst „populistisch“

In diesen Monaten und Tagen ist viel von Populisten und Populismus die Rede. Trump, Le Pen, einige Vertreterinnen und Vertreter der AfD und hin und wieder durchaus auch Martin Schulz stehen geradezu beispielhaft dafür; auch Frau Merkels Attacke gegen US-Präsident Trump war nicht gänzlich frei von „Populismus“. Ganz offen: Kaum ein Politiker ist völlig frei von „wenigstens ab und zu „populistisch“ aufzutreten“; zumal in Zeiten von Wahlkämpfen.
Grund genug – und vor allem sehr lohnend! – mal wieder „große Altmeister“ wie z. B. Sir Ralf Dahrendorf (1929-2009), Soziologe, Politiker, Publizist und Mitglied des britischen House of Lords, zu lesen.

Dahrendorf setzte gleich einmal einen sehr nachdenkenswerten Punkt, als er feststellte: „Die Schwierigkeit beginnt schon mit dem Begriff Populismus. Er besagt, dass der Rekurs auf das Volk nicht in Ordnung ist. Jedenfalls ist Populismus ein abwertender Begriff. Aber ist nicht das Volk der Souverän, der daher die Demokratie legitimiert? Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen: des einen Populismus ist des anderen Demokratie, und umgekehrt“.

Auch wies er in seinen „Acht Anmerkungen zum Populismus“ darauf hin, dass es „nicht immer leicht ist, die Grenze zu ziehen zwischen Demokratie und Populismus, Wahlkampfdebatte und Demagogie und Diskussion und Verführung“. Von daher, so mahnte Dahrendorf, sei Vorsicht am Platze bei der Verwendung der Begriffe und fuhr fort:
 „Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein, ein demagogischer Ersatz für Argumente“.
Der vielfach ausgezeichnete Soziologe warnte auch davor, jeden Populismus gewissermaßen automatisch gleich mal mit „rechts“ in Verbindung zu bringen. Die Warnung verhallte offensichtlich, denn heute liest man fast ausschließlich von „Rechtspopulismus“.

Das liegt u. a. auch daran, dass Liberale und Linke Themen eher scheuen, die für viele Menschen jedoch von größter Bedeutung sind, wie: Recht und Ordnung.

Was aber, so ist doch zu fragen, ist an berechtigten Forderungen nach „Recht und Ordnung“ „rechts“ oder „populistisch“? Zumal in Zeiten, in denen die Einbruchszahlen rapide gestiegen, die Vorgänge der Silvesternacht in Köln noch immer nicht umfassend aufgeklärt sind - und es wohl auch nicht mehr werden - die Zuwanderung ungeregelt und ganz offensichtlich gegen „Recht und Gesetz“ erfolgte und die Identifikation der zu uns Kommenden weiterhin nicht mit allen technisch möglichen Instrumentarien sichergestellt wird?

Forderungen besorgter Bürgerinnen und Bürger nach Aufklärung, auch nach „Sicherheit“ - die Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger gehört zu den vornehmsten Aufgaben eines jeden Staates! – werden von „links“, teilweise auch von „liberal“ und in nicht wenigen Medien als „populistisch“ und „rechts“ diffamiert – und genau da wird Dahrendorf zufolge der Vorwurf des Populismus selbst populistisch.  

Sehr bemerkenswert ist auch eine weitere Aussage von Ralf Dahrendorf, vor zehn Jahren geäußert, heute aktueller denn je: Es ging und geht um die „populistische“ Forderung nach einer geregelten und damit natürlich begrenzten Zuwanderung: „Es ist auch nötig, die Frage zu stellen, wie viel Zuwanderung Gemeinden ertragen können, ohne eben jene Qualitäten zu verlieren, die sie für Zuwanderung attraktiv gemacht haben“.

So falsch es ist, „Populismus“ automatisch mit „rechts“ gleichzusetzen, so falsch ist es, jede Kritik am Kapitalismus oder auch an der Globalisierung von vorneherein in die Schublade „Linkspopulismus“ zu stecken. Kritik an den Auswüchsen des kapitalistischen Systems mit Boni-Zahlungen, die in astronomische Höhen entflogen sind, aber auch Kritik an verantwortungsloser Globalisierung, die keine Rücksicht auf z. B. die berechtigten Interessen Afrikas nimmt, haben mit „links“ nichts zu tun, sondern sind schlicht und einfach berechtigt und angebracht, damit Zügellosigkeit beschränkt und Verantwortungsbewusstsein in konkrete Taten umgesetzt werden.
Deshalb zum dritten Mal: Populismus-Vorwürfe sind oft populistisch. Verwendet werden sie von denen, die es sich zu leicht machen, die „billige“ Zustimmung erheischen; sie lenken ab von notwendiger Auseinandersetzung mit Fakten und vor allem von der mit Andersdenkenden.
Auch hierzu nochmals Dahrendorf: „Populismus ist einfach, Demokratie ist komplex: das ist am Ende vielleicht das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Formen des Bezugs auf das Volk. Man muss es noch genauer sagen. Populismus beruht auf dem bewussten Versuch der Vereinfachung von Problemen. Darin liegen sein Reiz und sein Erfolgsrezept“.

Wir alle aber wissen: Nichts ist (wirklich) einfach! Deshalb gilt es, mit Komplexität leben zu lernen; das, so wiederum Dahrendorf, „ist vielleicht die größte Aufgabe demokratischer politischer Bildung“. Wer also den „populistischen“ Vereinfachern von links wie rechts den Wind aus den Segeln nehmen möchte, muss komplizierte Zusammenhänge verständlich erklären. Dies ist eine der Hauptaufgaben demokratischer politischer Führer“.

Natürlich kommt auch den Parlamenten auf allen politischen Ebenen ein entscheidender Anteil bei dieser Aufgabe zu, denn „der Populismus ist im Kern antiparlamentarisch“.
Dahrendorf: „Das Parlament übersetzt Augenblicksstimmungen in dauerhafte Entscheidungen. Das ist an sich schon eine antipopulistische Funktion. Insofern steht das Parlament kraft Definition auf der Seite der Demokratie“.


Wer sich also scheut oder davor „drückt“, Komplexes zu erklären, sich um Verständnis und Verständigung zu bemühen, der bereitet den Vereinfachern und Populisten den Weg; manchmal ungewollt mit dem häufig aus Bequemlichkeit gewählten Vorwurf des „Populismus, ohne zu merken, damit oft selbst „populistisch“ aufzutreten.

© Dr. Walter Döring

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