Mehr Verantwortungsbewusstsein für die heimische Landwirtschaft!


Die Landwirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Nicht alleine hier in unserer Region, sondern bundesweit kämpfen immer mehr klassische bäuerliche Familienunternehmen um ihr Überleben. Zu Beginn der 1990er Jahre arbeiteten noch nahezu 1,2 Millionen Menschen in einem landwirtschaftlichen Betrieb, heute sind es gerade noch 650 000. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Höfe von 540 000 auf weniger als 300 000.

„Strukturwandel“ ist für die heimischen Bauern seit Jahrzehnten kein Fremdwort, und sie haben sich daran gewöhnt. Nun kam aber zu dem kontinuierlich schärferen internationalen Wettbewerb auch noch eine Entscheidung auf höchster politischer Ebene hinzu, zu der sie nicht gefragt oder gehört wurden und wofür die Bauern rein gar nichts können, die sie aber mit voller Wucht trifft: Die Sanktionen gegen Russland. Kurz gefasst: Keine europäischen Industriegüter mehr nach Russland. Moskau „revanchierte“ sich umgehend mit einem Importverbot für Molkereiprodukte, Rind- und Schweinefleisch, Gemüse und Obst aus den Ländern der EU. Die deutschen Bauern haben damit einen ebenso großen wie wichtigen Markt verloren. Eine Folge hiervon: 2015 gaben sechs Prozent der Schweinehalter und vier Prozent der Michbauern auf. Zu Recht spricht der Bauernpräsident nicht mehr von einem „Strukturwandel, sondern von einem „Strukturbruch“. Zur schlechten Stimmung tragen die fortgesetzten Preissenkungen bei: Die Discounter senken die Preise für Milch auf um die 20 Cent pro Liter; die Bauern bräuchten aber 40!

Nun liegt der Milchpreis bald unter dem für Mineralwasser, Schweinefleisch ist pro Kilo fast billiger als Katzenstreu -  das kanns doch nicht sein!

Dabei haben die Bauern ihre Produktivität kontinuierlich gesteigert, was nicht ohne Technologisierung ging, auch nicht ohne Pflanzenschutzmittel und neuen Züchtungen; manches davon ist durchaus auch kritisch zu sehen. Ergebnis aber: 1949 ernährte ein Landwirt zehn Menschen, 1990 schon 85 und heute 145!

Das Einkommen reicht trotzdem nicht. Keine Motivation zur Betriebsübernahme für Junglandwirte. Darüber hinaus ist festzustellen: Diese Krise der Landwirtschaft trifft ja nicht nur diese selbst, sondern ganze Regionen: Bauern haben kein Geld mehr, sie stoppen Neubaupläne und investieren nicht mehr in ihre Betriebe, worunter dann Handwerker, Bauunternehmen und auch der Landmaschinenhandel leiden.

Ja, es stimmt, dass der „Agrartopf“ mit 50 Milliarden Euro jährlich nach wie vor der mit Abstand größte Etat im EU-Haushalt ist. Claudia Ehrenstein dazu in der WELT am Sonntag vom 8. Mai 2016: „Die Prämien aus Brüssel werden aber nur gezahlt, wenn die Bauern strenge Auflagen zu Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz einhalten. Brüssel gibt die Mindeststandards vor, zum Beispiel wie viel Platz ein Schwein im Stall haben muss“.

Ja, es stimmt auch, dass da ja häufig noch Prämien aus dem Bundeshaushalt und den Kassen der Länder hinzukommen, was manche „aufregt“. Aber diese Gelder fließen nicht „für nichts“, sondern sind gebunden an Leistungen der Bauern, von denen wir alle profitieren: Bauern als Landschaftspfleger, die dafür bezahlt werden, dass sie Hecken pflanzen, Ansitzstangen für Greifvögel aufstellen oder blühende Ackerrandstreifen anlegen - dies auch, damit die Landschaft so schön aussieht, wie sie sich „die Städter“ vorstellen und wünschen.

Das kostet - und da ist der Verbraucher, sind wir alle gefordert. 1950 gaben die Verbraucher für Nahrungs- und Genussmittel noch 44 Prozent vom zur Verfügung stehenden Einkommen aus, 1975 waren es noch 23 Prozent und heute sind es gerade einmal noch 12 Prozent. Die gleichen Verbraucher, die wie in kaum einem anderen Land der Welt einen so geringen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, stellen gleichzeitig die höchsten Ansprüche an die Bauern: Tierschutz, Artenschutz, Gewässerschutz, Bodenschutz und natürlich auch Klimaschutz.
Wer all das will - und es handelt sich hier ja um sehr berechtigte Anliegen - der muss aber auch Verständnis für die berechtigten Anliegen der Bauern haben: Angemessene Preise für die Leistungen der Landwirte und deren Produkte, damit diese und ihre Familien ein faires auskömmliches Einkommen haben und auch heute und in Zukunft noch genügend Jungbäuerinnen und Jungbauern die Höfe ihrer Eltern zu übernehmen bereit sind.

Jede einzelne Verbraucherin und jeder einzelne Verbraucher kann mit mehr Verantwortungsbewusstsein bei jedem einzelnen Lebensmitteleinkauf mehr tun für unsere heimische Landwirtschaft: Sie hat es verdient!

© Dr. Walter Döring

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