Joe Kaesers „inklusiver Kapitalismus“ sollte Schule machen

 Foto: Hans Kumpf
Joe Kaeser, CEO von Siemens, ist erfreulicherweise keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Im Gegenteil: Er ist einer der wenigen DAX-Vorstände, die sich „einmischen“, eine eigene Meinung haben, die Rolle von gesellschaftspolitischen Vordenkern gerne an- und aufnehmen und mit ihrer neuen Idee dann auch offensiv in die Öffentlichkeit gehen. Man wünschte sich, dass ihm seine Kollegen in den großen Unternehmen zahlreich folgten!

Der Siemens-Chef überraschte mit seinen Ideen zunächst in einigen Interviews im Handelsblatt und schließlich auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer am 7. Februar in Schwäbisch Hall, wo er mit großem Interesse empfangen und mit stehendem Applaus verabschiedet wurde.

Joe Kaeser war es gelungen, die mehr als 500 Zuhörerinnen und Zuhörer aus den deutschen Top-Unternehmen mit seiner Botschaft nicht nur zu überraschen, sondern sie zum Nachdenken anzuregen und sie schließlich für sich einzunehmen.

Er begann mit der Frage, wie Unternehmen in dieser globalen und digitalen Welt, in diesen bewegten Zeiten, ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden sollen, um gleich selbst die Antwort zu geben: „Wenn ich Erfolg habe, muss ich der Belegschaft und der Gesellschaft etwas zurückgeben“.
Nahezu gleichzeitig führte „am anderen Ende der Welt“ die Premierministerin Neuseelands, Jacinda Ardern aus: „Wenn wir eine Situation nicht verhindern, in der die Menschen sehen, dass die Wirtschaft laut der Zahlen wächst, aber sie davon nichts merken, dann entsteht die Art Vertrauenslücke, die wir in fast allen Gesellschaften sehen“.

Genau dieser Vertrauenslücke gilt es Kaeser zufolge entgegenzuwirken bzw. sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Im Fortgang seines denkwürdigen Vortrags skizzierte er anhand konkreter Beispiele, wie diese Verantwortung und dieses „Zurückgeben“ aussehen sollten bzw. bei Siemens aussehen:
Als ersten Punkt nannte Kaeser die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, worauf seiner Meinung diese das Recht haben, „zu hören, was sich im Beruf verändert – und auf diese Veränderungen vorbereitet zu werden“. Siemens investiert jährlich rund 500 Millionen Euro in Aus- und Weiterbildung. Mittlere und kleinere Unternehmen, die sich diesen Aufwand nicht leisten können, sollten dabei steuerlich unterstützt werden.

Als zweites großes Ziel führte der Siemens-Chef den „Kampf gegen den Klimawandel“ an. Er kündigte für sein Unternehmen an, dass dieses „bis 2020 seine CO2-Emissionen gegenüber 2014 halbiert haben und bis 2030 klimaneutral sein wird“. Dabei sagte er auch ganz offen, dass sich dies sowohl ökologisch als auch dank der Ressourceneinsparungen ökonomisch rechnen würde.

Mit seinem dritten Punkt ging er auf die Cybersicherheit ein. Cyberkriminalität bezeichnete er als „eine Bedrohung für das Gemeinwesen“. Deshalb hätten sich mehrere große Unternehmen auf „verbindliche Regeln und Standards für die Cybersicherheit“ verpflichtet.

Der vierte Bereich, den er „persönlich für sehr wichtig halte“, war „unsere Art des Zusammenlebens“. Kaeser wörtlich: „Soziale Verantwortung bedeutet auch, im Unternehmen ein respektvolles Miteinander vorzuleben und einzufordern. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und Unternehmen haben hier auch eine Vorbildfunktion. Nämlich für diese Werte einzutreten und sie zu verteidigen, wenn sie in Gefahr sind“.

Und schließlich „landete“ der Siemens-CEO mit seinem fünften Beispiel auch bei der Altersvorsorge als wichtigen Pfeiler sozialer Verantwortung, „zum Beispiel, indem man Mitarbeiter am Erfolg des eigenen Unternehmens beteiligt. Bei Siemens sind 80 Prozent der Beschäftigten zugleich Siemens-Aktionäre“.

Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders der 1960er Jahre, lässt mit seiner Forderung nach „einem Volk von Eigentümern“ grüßen.
Natürlich betonte Joe Kaeser auch, dass „Unternehmen noch mehr Verantwortung nur dann schultern können, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sind“.
Und: Er sprach nicht Steuersenkungen das Wort, sondern vielmehr der sinnvollen Verwendung von den Rekordeinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen.
Ganz ähnlich äußerte sich auf der gleichen Veranstaltung auch die mit ebenfalls viel Beifall aufgenommene Chefin von Trumpf, dem Weltmarktführer in der Laser-Technologie, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller.

Gleich mehrere Print-Medien würdigten diese beiden herausragenden Vertreter deutscher Unternehmen von Weltgeltung mit Überschriften wie „Suche nach neuer Kapitalismus-Formel“ und stellten heraus, dass diese „die Zeichen der Zeit erkannt haben und vorbildlich handeln“.
Und genau dieses „Vordenken“ und „vorbildliche Handeln“ sollten Schule machen! Offensichtlich zeigt es schon Wirkung bzw. „macht Schule“: 50 Familienunternehmer haben sich öffentlich zu Wort gemeldet und sich für Vielfalt, Respekt vor- und untereinander und für verstärkte Ausbildungsanstrengungen ausgesprochen; gut so: Ein Anfang ist gemacht!

© Dr. Walter Döring

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