Ursula von der Leyen verdient Unterstützung!

Die künftige Chefin der EU-Kommission kommt aus Deutschland, wird die erste Frau auf diesem Posten sein, hat langjährige Erfahrungen als Ministerin auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Resorts aufzuweisen – und wahre Herkulesaufgaben vor sich. Dabei wird sie weder mit einer „Schonfrist“ noch mit besonderem Entgegenkommen der in weiten Teilen doch ebenso verärgerten wie enttäuschten EU-Parlamentarier rechnen dürfen.

Ganz nüchtern betrachtet: Gewählt ist gewählt – und dies nicht aus Zufall, sondern letztlich vor allem dank einer sehr gelungenen Vorstellungsrede, die selbst nicht wenige Sozialdemokraten – mit Ausnahme der deutschen – überzeugte. Also: Ursula von der Leyen ist „aus eigener Kraft“ in Europas höchstes Amt gewählt worden; ein Kraftakt. Der oder besser: die eigentlichen Kraftakte aber stehen ihr erst noch bevor.

So dürfen z. B. auch angesichts des „Klima-Hypes“ ihre mutig verschärften Klimaschutzziele nicht bei Ankündigungen hängen bleiben. Ihr „Green Deal“ sieht die Klimaneutralität der EU bis 2050 vor, der Kohlendioxydausstoß soll bis 2030 nicht nur um 40, sondern um 50 bis 55 Prozent abgesenkt und der Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden. Hier muss sie vor allem Länder wie Polen, aber auch einige westeuropäische erst noch überzeugen – was in manchen Fällen nicht ohne zusätzliche EU-Gelder abgehen wird. Klimaschutz gegen „Kohle“; ein zu erwartender Deal.
Ursula von der Leyens Absicht, eine Arbeitslosen-Rückversicherung analog zu dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz für alle Euro-Staaten einzuführen, wird nicht nur von CDU/CSU, sondern auch von den Niederlanden und Finnland entschieden abgelehnt. Experten sind sich sicher: Diese harte Nuss wird sie nicht knacken. Aber wer weiß?

Mit deutlich weniger Widerstand wird die künftige EU-Kommissionspräsidenten rechnen müssen bei ihrem sehr berechtigten Vorhaben, Steuerflucht der Tech-Giganten wie Apple, Google und Co. zu verhindern, zumal ihr hierbei die „bockelharte“ dänische Kommissarin Margarete Vestager zur Seite stehen wird. Da ist ein mit viel Beifall begleiteter Erfolg für von der Leyen zu erwarten.
Nun möchte sie binnen 100 Tagen einen rechtlichen Rahmen für Mindestlöhne in allen EU-Ländern vorlegen. Da hat sie nicht nur weite Teile der Wirtschaft gegen sich, sondern auch viele Länder, die mit ihren aktuell noch niedrigen Löhnen wettbewerbsfähig sind und sich diesen Vorteil kaum werden nehmen lassen. Ob sie für dieses Vorhaben Unterstützung aus der EVP, „ihrer“ Fraktion also, erhalten wird, scheint zumindest fraglich.

Offensiv und ohne jede falsche Rücksichtnahme hat Frau von der Leyen in ihrer Bewerbungsrede stringent auf die Einhaltung aller rechtsstaatlichen Prinzipen gepocht. Sie hatte dabei u. a. Polen und Ungarn im Blick. Victor Orban hier „einzufangen“, wird eine der härtesten Nüsse sein, die sie zu knacken hat – und zugleich ihr „Lackmusstest“.

Als Bundesverteidigungsministerin hat von der Leyen stets auf die Notwendigkeit einer starken und wehrhaften Bundeswehr und der Europäischen Union insgesamt hingewiesen. Angesichts der Politik des US-Präsidenten hinsichtlich der NATO wird es für die neue Kommissionspräsidentin auf ihre Überzeugungsfähigkeit ankommen, wenn es darum geht, die EU militärisch zu einen, zu stärken und wenn notwendig auch geschlossen mit den Mitgliedsländern handlungs- sprich einsatzfähig zu machen. Frankreichs Präsident Emanuel Macron wird sie dabei unterstützen, auch die neue Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer; aber wer noch?

Und wer steht ihr bei, wenn es darum geht, die Flüchtlinge „gerecht“ auf alle Mitgliedsstaaten der EU zu verteilen? Eine wahre Herkulesaufgabe!

Und dann sind ja da auch noch die von ihr gar nicht oder allenfalls nur am Rande gestreiften Themen: Bildungspolitik, Forschungspolitik, „Industriepolitik“. Ohne umfassende Neuerungen hier, ohne massiv mehr Mittel, ohne Klärung, wie eine „Industriepolitik“ der EU aussehen soll, wird die EU gegen China und die USA, aber auch gegen Indien verlieren.

Wie gesagt: Frau von der Leyen stehen viele Kraftakte bevor. Und für diese verdient sie unbedingt volle Unterstützung!

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