Stoppt die (Massen-)Abwanderung!

Seit Jahren schon beherrscht die Zuwanderung nach Deutschland sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch bezüglich ihrer damit verbundenen Probleme nicht nur die politische Diskussion, sondern überwiegend auch die Schlagzeilen, nur hin und wieder kurz unterbrochen wie zuletzt durch die unglaublichen Vorgänge rund um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen; als ob es bezüglich „Wanderungsbewegungen“ nur eine Richtung gebe: Dir rein ins Land. Nein, leider gibt es auch eine entgegengesetzte Richtung: Die raus aus Deutschland; in ihrer Auswirkung dramatisch, aber viel zu wenig beachtet.

Was haben die Schweiz, Österreich und die USA gemeinsam? Antwort: Sie sind die beliebtesten Ziele deutscher Auswanderer. Mittlerweile haben wir einen „Auswanderungsverlust“ in Millionenhöhe zu beklagen – schon davon gehört? Wohl eher nicht.
Grund: Wir reden hierzulande unentwegt über die hohe Zahl der Zuwanderer und die damit zweifelsohne verbundenen Integrations-, Unterbringungs- und Qualifizierungs-Probleme, übersehen dabei aber völlig, dass uns auch „die andere Richtung“ Sorgen und Schwierigkeiten bereitet: Die deutschen Auswanderer sind überdurchschnittlich qualifiziert: Sie verfügen zu 76 Prozent über einen akademischen Abschluss; zum Vergleich: Nur 25 Prozent aller Deutschen können einen solch hohen Bildungsabschluss vorweisen.

Hier der ohne Pause von allen Wirtschaftsverbänden und Kammern beklagte Fachkräftemangel, der sich längst zu einer Wachstums- und damit auch Wohlstandsbremse ausgewachsen hat, und dort der „brain drain“  - wörtlich „Gehirn-Abfluss“, zu deutsch: Auswanderung von Spezialisten – die Abwanderung der gut Ausgebildeten, der „Exodus der Klugen“, ins Ausland; alleine 2018 mehr als eine Viertelmillion; alleine Deutsche; insgesamt verließen mehr als eine Million Menschen unser Land.

Konkret: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wanderten im Jahr 2018 nahezu 1,19 Millionen Menschen aus Deutschland aus, während ca. 1,59 Millionen Personen aus dem Ausland nach Deutschland kamen. Fast 262 000 fortgezogenen Deutschen standen 202 000 zurückgekehrte Deutsche gegenüber, macht ein schmerzliches Minus von 60 000; über die letzten zehn Jahre war statistisch ein Verlust von 500 000 zu beklagen, so das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Überwiegend Junge; das Magazin „Cicero“ hierzu: „Das Durchschnittsalter beträgt 32 Jahre. Es sind junge Ärzte und Ingenieure, Wissenschaftler und Facharbeiter, Handwerker, Techniker und ehrgeizige Dienstleister. Nach Angaben der OECD verliert derzeit kein anderer Staat so viele Akademiker“.
Aber auch die Nicht-Deutschen Ausgewanderten tun richtig weh, denn auch sie sind überdurchschnittlich qualifiziert und fehlen hinten und vorne auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Und: Der sogenannte „Zwanderungsgewinn“ findet mangels Qualifikation bedauerlicherweise nicht in den Arbeitsmarkt statt, gleicht also den Verlust an Fachkräften keineswegs aus.

Schauen wir beispielhaft einmal nur auf die Wirtschaftswissenschaftler: Von den 100 forschungsstärksten deutschen Volkswirten unter 45 Jahren arbeitet jeder zweite außerhalb von Deutschland. Laut „German Scholars Organization“ werden hierfür vorrangig die folgenden Gründe genannt: Zum einen die schlechte Bezahlung und zum andern das schwer nachvollziehbare Berufungsverfahren für Professoren und immer wieder wird auch noch ein dritter Grund angeführt: die bessere Betreuung von Forschung im Ausland.

Um gegensteuern zu können, muss man sich die Gründe sowohl fürs „Weggehen“, für diese – wie das Magazin „Cicero“ formulierte – „Abstimmung mit den Füßen gegen Deutschland“ als auch fürs „Wegbleiben“ genauer ansehen. Neben den bereits genannten Gründen für die Auswanderung nennen Wegziehende oft auch den „anderen Lebensstil“ in ihrem „Sehnsuchtsland“, den Beruf des Partners / der Partnerin und auch eine „allgemeine Unzufriedenheit“.

Da die meisten Auswanderer in einem Alter sind, in welchem Familiengründung, „Wohlstandsaufbau“, Sozialisation im beruflichen wie privaten Umfeld, schlicht: „Sesshaftwerden“ stattfindet, ist es besonders schwer, sie zur Rückkehr zu motivieren.

Was kann helfen? Die Bundesregierung organisiert „Talentmessen“ z. B. in den USA, um ausgewanderte Topkräfte zurück in die deutsche Heimat zu locken. Ähnliches veranstalten der DAAD (Deutsch Akademischer Austausch Dienst), die DFG (Deutsche Forschungs-Gemeinschaft) und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung mit Finanzierungsunterstützung des Bundesforschungsministeriums.

Hinzu kommen müssen aber mehr unbefristete Stellen – und, so der offensichtlich häufig genannte Wunsch der grundsätzlich Rückkehrwilligen: Mehr Familienfreundlichkeit: Viele Deutsche im Ausland machen für eine Rückwanderung das zur Bedingung, was an vielen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Ausland längst üblich ist: Ist ein Forscherpaar verheiratet, werden beide eingestellt.

Und zum Thema Geld: die German Scholars Organisation zahlt denen, die wieder nach Deutschland heimkommen 100 000 € - immerhin ein Anfang.

Insgesamt aber müssen dringend größere „Gesamtpakete“ geschnürt werden; denn: Gehen die hier teuer Ausgebildeten weg und bleiben fort, ist das teurer, als wenn wir noch viel mehr Anstrengungen unternehmen, um sie wieder zurückzuholen. Deutschland darf es sich angesichts des enormen Fachkräftemangels und des demografischen Wandels nicht länger leisten, die jungen Klugen, Fähigen und dringend hier Benötigten im Ausland zu lassen; als Gastarbeiter; geht gar nicht! 

Walter Döring

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