Lehre aus Corona: Wir müssen wieder unabhängiger werden!

Corona beherrscht die Schlagzeilen, ist Top-Thema jeder Kommunikation, ob im privaten oder beruflichen Umfeld, stellt alle anderen politisch relevanten Themen in den Schatten, verändert unser tägliches Leben durch die Schließung von Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zu den Universitäten, durch Betriebsstilllegungen, das Aussetzen von Sport-, Kultur- sowie Freizeitveranstaltungen und: – so der langjährige Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Bert Rürup – Die „ökonomischen Langfristfolgen von Corona könnten die Welt entscheidend verändern“.
Die „entscheidende Veränderung“ wird zu einer teilweisen Deglobalisierung im Verbund mit mehr Diversifizierung sein, worauf sich die europäischen und unter diesen vor allem die deutschen Unternehmen einstellen müssen, wenn sie - wenn wir! - verloren gegangene Souveränität zurückgewinnen, wenn wir weniger abhängig werden wollen.

Was heißt „verloren gegangene Souveränität“? Die Folgen von Corona zeigen uns die enorme Abhängigkeit auf, in die wir durch die weltumspannenden Handelsströme geraten sind; alle hängen mit allen zusammen, und manche hängen ganz besonders von anderen ab; nicht zuletzt Deutschland. Deutschlands Verwundbarkeit ist besonders groß. China ist mittlerweile unser größter Handelspartner. Dorothea Siems: „Nicht nur in Branchen wie der Auto- oder Textilindustrie und dem Maschinenbau hat man über viele Jahre zur Kostenoptimierung die Arbeitsteilung mit der Volksrepublik vorangetrieben. Auch in der Pharmabranche und in der Medizintechnik lässt man heutzutage in China produzieren“.

Ganz konkretes Beispiel: Medizinhersteller beziehen 80 Prozent ihrer Antibiotika-Vorprodukte aus China. Folge: Deutschland galt über Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, als „die Apotheke der Welt“. Heute hängt nicht nur Deutschland, sondern die gesamte Europäische Union von der Produktion der Rohstoffe für pharmazeutische Produkte zu sagenhaften 80 Prozent von Fernost ab! Folge: Corona ließ China als Lieferant ausfallen, Folge hiervon: Arzneimittelknappheit in Deutschland!

Dem langjährigen Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen Bert Rürup zufolge wird die Corona-Epidemie weder so gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wie die Finanzkrise 2008/09 oder die Weltwirtschaftskrise 2019, aber man wird in ihrem Zusammenhang wohl in naher Zukunft „womöglich von einem neuen Wendepunkt in der Wirtschaftsgeschichte sprechen“ und von einem „schleichenden Trend zu Deglobalisierung“.

So werden die aufgetretenen Produktionsengpässe wegen fehlender Vorprodukte „aus aller Welt“ ein Umdenken in den arbeitsteilig organisierten Branchen bewirken. Rürup: „Teile von Wertschöpfungsketten dürften renationalisiert werden. Zudem wird die Abhängigkeit von China bei wichtigen Grundstoffen für Medikamente sowie bei Schutzkleidung den politischen Druck erhöhen, sich nicht mehr allein auf die Lieferfähigkeit ausländischer Partner zu verlassen“.

Dalia Marin, Expertin für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der TU München, sieht eine gravierende Veränderung des Welthandels aufkommen: Ihrer Prognose zufolge „werden Unternehmen zu mehr als einem Drittel ihre Produktion in ihre Heimatregionen zurückverlagern“.
Aus der „hohen Politik“ meldete sich Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zu Wort und erklärte: „Die Netzwerke der ökonomischen Globalisierung werden immer öfter gegen uns in Stellung gebracht, um übergeordnete strategische Ziele zu erreichen. Einseitige Abhängigkeiten werden so zur Falle. Es ist deshalb höchste Zeit, dass Deutschland und Europa aufwachen und selbstbewusst für ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit einstehen. Es geht darum, wie wir unsere wirtschaftliche Souveränität wiedererlangen“.

Diese wirtschaftliche Souveränität wieder zu erreichen, hatte auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier zum Ziel, als er seine etwas missverständlich aufgenommene „Industriestrategie“ zu Beginn des Jahres auf den Weg brachte. Unterstützung hierfür erfuhr er jüngst von Bert Rürup, der Europa und sein industrielles Kernland Deutschland dazu aufforderte, „sich als Produktionsstandort zu revitalisieren und die tiefe Skepsis gegenüber einer europäischen Industriepolitik zu überwinden“.
Eine komplette Deglobalisierung ist unrealistisch und wäre auch schädlich. Nicht minder schädlich aber wäre auch ein „weiter so mit der Globalisierung“. Wie so oft: Die Wahrheit bzw. die Lösung liegt in der Mitte: Ungesunde Abhängigkeiten abbauen, diversifizieren und manches wieder zurückholen, um wieder souveräner zu werden; dies vor allem in lebensnotwendigen Bereichen wie in der Medizin- und Pharmabranche; das zumindest sollte schon heute eine der Lehren aus Corona sein.

Walter Döring

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