Deutschland befindet sich in einem gefährlichen Zufriedenheitsschlaf

Draghi wirft Billionen auf den Markt, die Schweiz überrascht mit der Aufgabe des festgezurrten Wechselkurses zum Euro, Griechenland hat gewählt, Davos ist ebenso vorüber wie das Gipfeltreffen der Weltmarktführer, aber eines blieb und bleibt gleich: Der deutsche Zufriedenheitsschlaf. Dieser ist so tief und fest, dass nichts dazu angetan scheint, die Deutschen aus ihrer (Selbst-) Zufriedenheit und aus ihrem Tiefschlaf aufzurütteln. Fast hat man den Eindruck: Im Gegenteil. Ob dies eine Folge des Ausblendens von offensichtlichen Risiken oder der mittlerweile nahezu schon provozierend zur Schau gestellten Satt- und Trägheit ist, ist egal; nicht egal aber ist, dass dieser Zufriedenheitsschlaf zunehmend gefährlich wird: Vor allem für die Schlafenden.

Natürlich stimmen niedrige Energiepreise, historisch niedrige Zinsen, niedriger Euro-Kurs gegenüber dem Dollar und auch die historisch hohe Beschäftigungsquote in Deutschland optimistisch. Hinzu kommen Anerkennung und Lob von außen.

Aber: Das scheinbare Schlaraffenland sollte genauer hinsehen; z. B. auf die doch sehr ambivalenten und trügerischen Hinweise aus Davos: Da wurde Deutschland als Exportweltmeister und solider Haushälter mit nahezu Vollbeschäftigung als Vorbild belobigt, aber es wurde doch auch gleichzeitig vor diesem „deutschen Weg“ gewarnt. Nun war im Grunde niemand in der Lage, den „deutschen Weg“ näher zu definieren, aber einig war man sich bei der Beurteilung dieses „vermeintlichen Musterknaben“: Fordert Reformen von ganz Europa, von Italien, Frankreich, Spanien und Griechenland ganz besonders, ein – und selber? Die letzte deutsche Reform war 2007 die Rente mit 67. Seither, so unsere Kritiker und viele Kommentatoren in großer Eintracht: Eigentlich nur noch Rückschritt.

Zu den Daten und Fakten: Der solide Haushälter Deutschland legt einen ausgeglichenen Haushalt 2014 vor und lässt sich mächtig dafür feiern, motiviert im Überschwang die „Geldausgeber“ zu neuen Wohltaten, schläfert ein und vergisst - was zur Ehrlichkeit gehören würde - zu erwähnen, dass wegen der niedrigen Zinsen zweistellige Milliardeneinsparungen den entscheidenden Teil zum ausgeglichenen Haushalt beigetragen haben. Jörg Eigendorf dazu in der WELT: „Nur auf Niedrigzinsen und gute Stimmung zu hoffen, gleichzeitig aber auf Strukturreformen zu verzichten, wäre für die meisten europäischen Staaten der direkte Weg ins Verderben. Was fehlt ist der Reformdruck“. Das leugnen weder Kanzlerin noch Finanzminister. Im Gegenteil: Sie bekennen sogar ziemlich offen, dass die Reformschwäche der „GroKo“ damit zu tun habe, dass „es uns eben recht gut gehe“. 

Diesen Zufriedenheitsschlaf in „Schlaraffia Germania“ können und sollten wir uns aber nicht leisten. Nicht ausruhen, sondern aufholen ist angesagt!

Sowohl der CEO der Telekom, Timo Höttges, als auch der EU-Digital-Kommissar Günter Oettinger haben auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer warnend erwähnt, dass heute fünf US-Konzerne einen Börsenwert aufzuweisen haben, der das Doppelte von allen DAX-Konzernen zusammen beträgt, dass es in zehn Jahren zwei von fünf Unternehmen nicht mehr geben werde, dass das neue Kapital „Daten und nochmals Daten“ sein werde, und dass wir in Europa, vor allem in Deutschland immensen Nachholbedarf haben und endlich aufwachen müssen. Beispiel: Wir reden vom autonomen Fahren, haben aber nach wie vor ungezählte Funklöcher selbst für Mobiltelefone. Ohne flächendeckende digitale Infrastruktur wird’s aber nichts werden mit autonomem Fahren. Oder: Die USA haben ein Datenschutzgesetz; wir Europäer leisten uns 28!

Die Warnung auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer: „Nur wenn es Unternehmen schaffen, die Daten ihrer Kunden in neue Produkte und Dienstleistungen zu verwandeln, werden sie auch weiterhin an der Weltspitze bleiben“. Und: „Es darf doch nicht wahr sein, dass heute noch 85 Prozent der deutschen Unternehmen sich nicht mit dem Thema Digitalisierung befassen“. Da ist es kein Wunder, dass wir in Europa bei diesem Thema nirgends „Weltmarktführer“ sind.

Bei dem Thema „Industrie 4.0“ sind mehr Begeisterung und mehr Handlungsfreude und auch mehr Entscheidungswillen der Politik notwendig. Bernd Ziesemer: „Nicht der Stärkste siegt, sondern der Schnellste. Wer sich zuerst und am konsequentesten digitalisiert, setzt sich durch“. Und auch bei dem Thema „Kampf um die besten Talente“ ist mehr Einsatzfreude gefordert. Satt und träge verlassen wir uns darauf, dass die dringend benötigten Fachkräfte schon kommen werden; tun sie aber nicht, zumindest nicht ausreichend. „Auch auf anderen Politikfeldern sind wir behäbig: Ob Sozial-, Bildungs- oder Energiepolitik - wir sind ziemlich satt, wir brauchen uns nicht ändern, uns geht es ja gut. Schlaraffenland eben. Während sich alles andere um uns herum immer schneller bewegt, dösen wir zufrieden weiter. … Kaum einer scheint sich zu fragen, warum wir angesichts der günstigen Rahmenbedingungen nicht viel schneller wachsen“.

Die Warnung heißt bei allem berechtigten Stolz darauf, sich innerhalb von zehn Jahren vom kranken Mann zum Kraftzentrum Europas entwickelt zu haben: Zufriedenheit macht träge. Deutschland wach auf aus Deinem Zufriedenheitstiefschlaf!


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