Viele - zu viele! - Unzufriedene mit der Demokratie
Ein Forscherteam der Freien Universität Berlin unter der
Leitung von Professor Klaus Schroeder hat in diesen Tagen eine empirische
Studie zum Linksextremismus vorgelegt, die von der Bundesregierung im Rahmen
des Projektes „Initiative Demokratie stärken“ gefördert wurde. Auf 650 Seiten
versuchen die Autoren, prägende „Gesellschafts- und Menschenbilder der
linksextremen Szene“ herauszuarbeiten und zu untersuchen, wie hoch die
Akzeptanz dieser Einstellungen im Rest der Bevölkerung ist. Dazu sind
repräsentativ mehr als 1 360 Bürgerinnen und Bürger befragt worden.
Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Studie sind
beeindruckend und Besorgnis erregend zugleich; der Reihe nach: Das
„linksextremistische Personenpotential“ liegt der Studie zufolge bei stolzen 17
Prozent der Bevölkerung, 14 Prozent im Westen und 28 Prozent im Osten. Diese
Gruppe lehnt die wirtschaftliche und politische Ordnung der Bundesrepublik
ziemlich deutlich ab.
Besonders gravierend: Die Demokratie in Deutschland findet
keine uneingeschränkte Zustimmung mehr: 42 Prozent der Befragten sind „mehr
oder weniger“ unzufrieden mit ihr, und eine absolute Mehrheit ist gar der
Meinung, dies sei keine „echte“ Demokratie. Ihre Begründung hierfür: Der
Einfluss der Wirtschaft ist zu groß.
Die skeptisch-kritische Haltung der Wirtschaft gegenüber
kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein Drittel der Interviewten glaubt, „der
Kapitalismus führe zwangsläufig zu Armut, Hunger und Krieg“.
Da verwundert es dann auch nicht, dass im Osten der Republik
eine satte Mehrheit von nahezu 60 Prozent den Sozialismus bzw. Kommunismus nach
wie vor für eine „gute Idee“ halten, die „nur schlecht verwirklicht wurde“.
Mehr als bedenklich ist ein weiteres Ergebnis der Studie,
denn es rüttelt an den Grundfesten unserer „aufgeklärten“ Verfassung: Nur gut
ein Drittel unter den Linksextremen akzeptiert das Gewaltmonopol des Staates,
„eine zentrale Errungenschaft der europäischen Aufklärung“. Und die extreme Linke
setzt da noch eins obendrauf: Zwei Drittel schließen aus politischen Gründen
Gewalt gegen Sachen oder Personen nicht grundsätzlich aus.
Unter dem medial aufgeheizten Protest gegen Pegida, AfD und
Rechtspopulismus geht in der allgemeinen Betrachtung der Gefahrenlage ein
wesentliches Ergebnis der Berliner Studie unter: „In der öffentlichen
Wahrnehmung werden die gestiegenen linksextremen Gewalttaten unterschätzt, da
der Verfassungsschutz zwischen „links“ und „linksextrem“ motivierten Straf- und
Gewalttaten unterscheidet und die nur „links“ motivierten Taten in der
detaillierten Betrachtung außer Acht lässt. In den letzten Jahren verübten als
nicht extrem eingeschätzte linke Personen etwa 30 bis 40 Prozent der
Gewalttaten, darunter allein im Jahr 2013 271 Körperverletzungen und 50 Brand-
und Sprengstoffdelikte“.
Den Opfern wird diese ebenso feinsinnige wie kaum
nachvollziehbare Unterscheidung ziemlich egal sein….
Reinhard Morh schreibt in der WELT vom 24. Februar 2015
abschließend zu dieser Studie: „Wenn man ein politisches Fazit der FU-Studie
ziehen wollte, dann dies: Statt eines nachgeholten Antifaschismus, der sich in
seiner moralischen Gratis-Überlegenheit darin sonnt, kommt es darauf an, die
demokratische Mitte zu stärken. Von beiden Rändern des politischen Spektrums
droht Gefahr, nicht zuletzt durch alte Ressentiments und einen neuen
Irrationalismus, der der Vernunft den Kampf angesagt hat“.
Und ich füge hinzu: Unserer Demokratie droht echte Gefahr
von den viel zu vielen Unzufriedenen und diese Gefahr wird weiter wachsen, wenn
sich nicht endlich alle Verantwortlichen ihr entgegenstellen; gerade auch die
Verantwortlichen aus der Wirtschaft sind gefordert, werden sie doch als
mitverantwortlich für die Unzufriedenheit der viel zu vielen an erster Stelle genannt. Aufklärung tut not, auch durch die
„aus der Wirtschaft“!
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