Haben wir in Deutschland wirklich „eine skandalöse Zunahme der Armut“?

Der aktuelle Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, den dieser am 2. März der Öffentlichkeit präsentierte, stellte „einen Höchststand der Armut in Deutschland von 15,7 Prozent“ fest und erklärte somit mehr als 13 Millionen Menschen in unserem Land als „arm“. Das sind so viele wie Bayern Einwohner hat. Und der Verband setzt noch eins oben drauf: So viele Arme wie jetzt habe es in Deutschland noch nie gegeben!

Der Verband berief sich dabei auf Zahlen des statistischen Bundesamtes. Die Behörde selbst nennt die Menschen aber nicht „arm“, sondern „armutsgefährdet“ und spricht von „Armutsrisiko“. Ein feiner, aber wichtiger Unterschied!

Daniel Eckert kommentierte in der WELT vom 3. März: „Vorsicht. Der Armutsbegriff des Reports ist ein schillernder. Gemessen wird nicht blanke Not, nicht Entbehrung und nicht einmal nachweisliches gesellschaftliches „Abgehängtsein“, sondern der Abstand von einem rechnerischen Medianeinkommen: Mit 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens oder weniger gilt man als arm. Diese Messlatte hat skurrile Konsequenzen, zum Beispiel diese: Würde jeder morgen doppelt so viel verdienen, gäbe es nach dieser Messlatte nicht einen Armen weniger“.

Richten wir doch einmal einen Blick darauf, wie man Deutschland in der Welt sieht: In vielen Ranglisten, in denen die „besten Länder“ bzw. die Staaten mit der „höchsten Lebensqualität“ aufgelistet werden, nimmt Deutschland seit Jahren vordere, wenn nicht die ersten Plätze ein. Und dies ganz offensichtlich völlig zu Recht: In unserem Land arbeiten derzeit so viele Menschen wie noch nie zuvor in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen: knapp 44 Millionen! Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr; die Jugendarbeitslosigkeit ist die geringste in Europa. Die Löhne steigen kontinuierlich an, die Rentner erhielten 2016 die höchste Rentenerhöhung seit 20 Jahren. Für Pflege, Bildung und auch Sicherheit wird mehr ausgegeben als jemals zuvor.

Und nicht zuletzt: Flüchtlinge aus aller Welt haben vor allem ein Ziel: Deutschland. Weil es hier eine „skandalöse Zunahme an Armut“ gibt, wie der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Bericht überschreibt? Wohl kaum!

Anders ausgedrückt: Je mehr wir Deutschen uns abrackern, je mehr wir alle zusammen neue weltweit begehrte Produkte schaffen, je mehr wir alle gemeinsam Jahr für Jahr das Bruttoinlandsprodukt steigern, umso mehr Arme haben wir nach den Feststellungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in unserem Lande.

Klar und nicht zu beschönigen: Es gibt den Flaschensammler, den Obdachlosen und auch die Bettler in den Fußgängerzonen deutscher Städte; schlimm, beklagenswert und einer Wohlstandsgesellschaft unwürdig. Die gerade Genannten gehören ohne Zweifel in die Kategorie „arm“. Aber nicht hinein gehören die „vielen Studenten mit Nebenjob oder die Witwe mit magerer Rente, aber stattlichem Eigenheim oder viele Alleinerziehende, die aber eben nicht selten in Partnerschaften, halt ohne Trauschein, leben“. Eckert: „Bei Alleinerziehenden steht deren „Armutsquote“ doch weniger für Verelendung als zunehmend für eine liberale und heterogene Gesellschaft, die unterschiedliche Lebensentwürfe ermöglicht. Bis zu zwei Millionen Kinder wachsen in solchen Alleinerziehungshaushalten mit dem höchsten statistischen Armutsrisiko auf. Gerade die Großstädte bieten dank ihrer Infrastruktur überhaupt erst die Möglichkeit, den Nachwuchs allein aufzuziehen und gleichzeitig berufstätig zu sein. Auch Studenten fallen statistisch leicht in die Kategorie „arm“, obwohl oft das Geld ihrer Eltern ihnen viele Annehmlichkeiten ermöglicht“. Wir reden immerhin über ca. 2,8 Millionen Studierende in Deutschland!

Nein, das alles heißt nicht, dass alles in Ordnung wäre. Mehr Bildungsanstrengungen für benachteiligte Kinder, mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Sicherheit bei der Altersversorgung, angemessenere Bezahlungen in für uns alle wichtigen Bereichen wie Pflege und Erziehung bleiben berechtigte Forderungen.

Und natürlich bleibt es auch richtig, auf die Probleme von Langzeitarbeitslosen und kinderreichen Familien hinzuweisen, die alle nicht von vorneherein „arm“ sind, aber ein besonders ausgeprägtes Armuts r i s i k o tragen.

Es hilft aber niemandem, wenn von „skandalöser Armutszunahme“ gesprochen und unser weltweit bewundertes Land, das ja auch mit den höchsten Sozialausgaben glänzt, schlecht geredet wird. Frank Specht im Handelsblatt vom 5. März 2017: „Wer Statistiken instrumentalisiert, um ein schwarzes Bild der Republik zu malen, hilft nicht den hilfsbedürftigen Gruppen, sondern der betreibt das Geschäft der Populisten von links und rechts“.


Deutschland ist erfolgreich, weil es ein wirtschaftlich starkes Land mit hoher sozialer Verantwortung ist. Dieses Verantwortungsbewusstsein hat in den letzten Jahren zugenommen; der „fürsorgende Kapitalismus“, der „caring capitalism“ hat hier und da zugegebenermaßen noch Nachholbedarf, aber er hat seit Jahren auch dafür gesorgt, dass die Armut bei uns im Land erfreulicherweise deutlich zurückgegangen und eben nicht angestiegen ist. Deshalb: Nein! Wir haben glücklicherweise keine 13 Millionen Arme in Deutschland!

© Walter Döring

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